Knowledge Transfer (Wissenstransfer) konzeptionell betrachtet

Quelle: Alhassan Yakubu Alhassan and Alexander Ruser (2023)

In der heutigen Wissensgesellschaft (Stehr 1994) ist der Umgang mit Wissen auf allen Ebenen wichtig. Auf der persönlichen Ebene, in Gruppen/Teams, in Organisationen und in Netzwerken. Oft geht es um die verschiedenen Wissenskernaktivitäten, wie das Identifizieren von Wissen, das Teilen und Nutzen von Wissen usw.. Dabei kommt der Wissenstransfer mit seinen verschiedenen Dimensionen ein wenig zu kurz. Etymologisch hat Wissenstransfer – in der englischen Übersetzung Knowledge Transfer – einen griechischen und lateinischen Ursprung.

“The etymological roots of the term are both Greek and Latin. Knowledge refers to the ancient Greek ?????? (gn?sis), which meant knowing through observation or experience. Transfer consists of the two Latin words trans, which means “across” or “beyond”, and the verb ferre, which stands for “to bear” or “to carry, to bring” (Lewis and Short 2020, 428 and 1097). The literal translation refers to an activity of carrying knowledge between and beyond the places where it is produced” (Alhassan Yakubu Alhassan and Alexander Ruser, in: Torsten Philipp, Tobias Schmohl (eds.) (2023): Handbook Transdisciplinary Learning). In der Abbildung wird gezeigt, wie der Wissenstransfer konzeptionell betrachtet werden kann.

” (…) the analytical model distinguishes between three different conceptualizations of knowledge transfers. First, it can be understood as an instrumental and technical problem. Second, it can pose an epistemological and empirical challenge or, thirdly, it can be approached as mainly a reflexive and hierarchical task” (ebd).

Ist Wissenstransfer in ihrer Organisation wichtig? Wenn ja: Befassen Sie sich mit Erwachsenenbildung!

Über “Wissen” und zum Umgang mit Wissen (Wissen managen) habe ich in unserem Blog schon viele Beiträge geschrieben (Kategorie: Wissensmanagement). Diesmal möchte ich auf den Begriff “Wissenstransfer” und später auf den Zusammenhang mit der Erwachsenenbildung eingehen. Zunächst also soll geklärt werden, was unter “Wissenstransfer zu verstehen ist. Dabei möchte ich den vielen umgangssprachlichen Ansätzen keinen Raum geben, sondern beziehe mich (wie möglichst immer) auf wissenschaftlichen Ansätzen. Diese sind dann oft nicht so plakativ und einfach, doch erleichtern sie ein besseres Verständnis.

Wissenstransfer ” bezeichnet die Übertragung von (z.?B. wissenschaftlichem) Wissen in einen anderen Kontext als den seines Entstehens. Eine disziplinübergreifend anerkannte Definition gibt es nicht; hierfür sind die Anwendungsfelder des Begriffs zu verschieden. Häufig wird der interorganisationale und interpersonale Transfer von Wissen zwischen Forschung und Praxis, zwischen Expertinnen bzw. Experten und Laien, zwischen Wissenschaft und Gesellschaft oder zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsfeldern (z. B. der Industrie) betrachtet” (Brandt, P. (i.E.). Art. Wissenstransfer und Wissenschaftskommunikation. In R. Arnold, E. Nuissl & J. Schrader (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt; zitiert in Brandt, P. (2022): Stichwort Transfer. In weiter bilden 2/2022).

Die hier angesprochene kontextabhängige Übertragung von Wissen, bzw. der Transfer von Wissen, wird oft fälschlicherweise mit einer Wissensvermittlung gleichgesetzt. Fäschlicherweise deshalb, da ein Wissenstransfer nur dann erfolgreich ist, wenn “auf der Seite des rezipierenden Kontexts Wissen produktiv verarbeitet und in eigene Horizonte transformiert wurde (Weber, 2004; zitiert ebd.”).

Es handelt sich hier also eher um eine aktive Aneignung von Wissen, die ermöglicht werden kann. Die Erwachsenenbildung hat daher schon lange den Schwerpunkt auf eine Ermöglichungsdidaktik gelegt . Es zeigt sich, dass es beim Umgang mit Wissen, und dem damit auch verbundenen Wissenstransfer vorteilhaft sein kann, wenn beispielsweise Führungskräfte in Unternehmen etwas von einer modernen Erwachsenenbildung verstehen. Die Realität in Unternehmen sieht allerdings anders aus: Es überwiegen Slogans/Buzzwords aus der industriellen Betriebswirtschaft, die kaum noch eine Passung zur Realität haben, und immer mehr an Grenzen stoßen.

Hängt der Wissenstransfer von den kognitiven Voraussetzungen ab?

Das Phänomen des Tragen Wissens habe ich in diesem Blog schon mehrfach thematisiert. Dabei ging es jeweils darum, dass Wissen kontextspezifisch konstruiert wird und somit nicht so einfach in einen anderen Kontext zu übertragen ist. Diese Situiertheit von Wissen wird allerdings von Süss angezweifelt.

Das die Relevanz des Situiertheitsansatzes anbetrifft, da sind Zweifel angebracht und nicht zuletzt deshalb, weil die zentrale These m.E. nicht haltbar ist, dass Wissen stets kontextgebunden und ein Transfer also gar nicht möglich ist. Ob ein Transfer zustande kommt (…) hängt stattdessen in erster Linie von den kognitiven Voraussetzungen ab, von Intelligenz und Wissen (Süss 2008).

Der Author argumentiert in seinem Beitrag, dass Intelligenz und Wissen dafür verantwortlich sind, ob – oder in welchem Maße – Wissenstransfer stattfindet. Die Frage, was unter “Intelligenz” verstanden wird, beschreibt der Autor wie folgt:

Ein Ziel der psychometrischen Intelligenzforschung ist die Klärung der Frage, ob Intelligenz eine einheitliche Fähigkeit zu konzeptualisieren ist (Spearman) oder besser durch mehrere, voneinander unabhängigen Einzelfähigkeiten (Thurstone, Guilford) beschrieben werden sollte. Heute zeichnet sich ab, dass beide Positionen richtig sind. Hierarchische Strukturmodelle postulieren ein bündel unterscheidbarer Einzelfähigkeiten, die allerdings zusammenhängen, und damit gleichzeitig die Annahme eines hochgradig generellen Faktors der Allgemeinen Intelligenz (“g”) begründen (Caroll 1993). Generell mein hier, dass diese Fähigkeit zur Lösung von sehr vielen und sehr unterschiedlichen Problemen gebraucht wird. Die empirische Grundlage für diese Annahme ist, dass Intelligenzleistungen, die bei ganz unterschiedlichen Aufgaben erbracht werden, stets schwach, aber positiv korreliert sind (Süss 2008:250-251).

Howard Gardner ist mit seiner Theorie der Multiplen Intelligenzen eher der Auffassung von Thurstone und Guilford, dass es eher voneinander unabhängige Fähigkeiten/Intelligenzen gibt.

Wissenstransfer in Projekten: Was ist zu beachten?

Projektarbeit ist wissensbasiert und “funktioniert” somit etwas anders als klassische Industriearbeit. In Projekten ist es daher wichtig, Wissen zu übertragen, eben Wissenstransfer zu leisten. Doch ist oft unklar, was unter Wissenstransfer zu verstehen ist:

Knowledge transfer is the methodical replication of the expertise, wisdom, insight, and tacit knowledge of key professionals into the heads and hands of their coworkers. It’s more than just on-the-job training. In organizational theory, knowledge transfer is the practical problem of transferring knowledge from one part of the organization to another. Knowledge transfer seeks to organize, create, capture, or distribute the “know-how” of the most expert in a field and ensure its availability for future stakeholders (PMI Institute 2015:6)

Dieses angesprochene Know-How ist also eher als implizites Wissen (oder auch Expertise) zu verstehen. Es wird an diesem Beispiel deutlich, an was modernes Wissensmanagement im Projektmanagement oft hapert: Wissensmanagement im Projektmanagement ist noch zu sehr auf den Umgang mit expliziten Wissen fokussiert. Das ist allerdings nicht verwunderlich, da das Management oft nicht weiß, wie mit impliziten Wissen umgegangen werden soll.

Diese Zusammenhänge werden in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen thematisiert. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Deutschland-Karte (Google Earth) zu Mass Customization

Im Gespräch mit dem RKW Kompetenzzentrum in Eschborn stellte ich meine Idee von einer Deutschlandkarte vor, in der Aktivitäten zu Mass Customization enthalten sein sollten. Ich bekomme immer wieder zu hören, dass es scheinbar nur wenige Institutionen und Unternehmen gibt, die sich mit Mass Customization befassen. Die Karte sollte zeigen, dass dem nicht so ist. Herr Hendrik Kohl (Praktikant beim RKW) war dann so nett, und hat diese Idee mit Hilfe von Google Earth umgesetzt. Basis seiner Arbeit waren die vielen Konferenzbeiträge von Forschungsinstitutionen und Unternehmen in den letzten Jahren. Die Karte zeigt deutlich auf, dass sich die Aktivitäten zu Mass Customization um die wissenschaftlichen Zentren (z.B. TU München) konzentrierten und von dort auf Unternehmen übergegangen sind (Wissenstransfer). Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei Herrn Hendrik Kohl bedanken. Lesen Sie sich doch einmal die Arbeit durch – es lohnt sich: Kohl, H. (2008):  Die Verortung teilnehmender Organisationen aus Deutschland an Mass-Customization-Konferenzen