
Wenn es darum geht, die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf den Arbeitsmarkt zu prognostizieren, kommt es – wie immer – darauf an, wen man fragt.
Die eher technikorientierten Unternehmen verkaufen die angestrebte AGI (Artificial General Intelligence) als das non plus ultra der Intelligenzentwicklung. Dabei prognostizieren diese Unternehmen, dass AGI den menschlichen Fähigkeiten (Intelligenzen) überlegen sein wird. Daraus folgt zwingend, dass KI wohl alle arbeitsbezogenen Tätigkeiten in der nahen Zukunft übernehmen kann. Diese Argumentation erinnert mich an so viele Versprechen der Technik-Unternehmen; beispielsweise an die Unsinkbarkeit der Titanic oder die “100%-ige” Sicherheit von Kernkraftwerken, oder an die Verheißungen der Internetpioniere. Technologie muss wohl in dieser Form verkauft werden (Storytelling) – immerhin geht es ja um Investoren und sehr viel Geld. Ich weiß natürlich, dass diese Vergleiche “hinken”, dennoch …
Betrachten wir Künstliche Intelligenz mit seinen Möglichkeiten aus der eher gesamtgesellschaftlichen Perspektive, so sieht das etwas anders aus. Hier geht es darum, mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz gesellschaftliche Probleme zu lösen, zum Wohle aller. Die Idee der japanischen Society 5.0 kommt diesem Anspruch sehr nahe. Da ich darüber schon verschiedene Blogbeiträge veröffentlich habe, gehe ich darauf nicht weiter ein. Siehe dazu beispielhaft Worin unterscheiden sich Industry 5.0 und Society 5.0?
Wie ist es dennoch möglich herauszufinden, wie sich Künstliche Intelligenz auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar macht, bzw. machen wird?
Als Leser unseres Blogs wissen Sie, dass ich bei solchen Fragestellungen immer dazu tendiere, belastbare wissenschaftliche Studien von unabhängigen Forschern heranzuziehen. Eine dieser Studie ist folgende. Darin sind sehr ausführlich Vorgehensweise, Datenanalysen und Erkenntnisse dargestellt, mit einer zu beachtenden Einschränkung: Es geht um den amerikanischen Arbeitsmarkt.
“First, we find substantial declines in employment for early-career workers in occupations most exposed to AI, such as software development and customer support.
Second, we show that economy-wide employment continues to grow, but employment growth for young workers has been stagnant.
Third, entry-level employment has declined in applications of AI that automate work, with muted effects for those that augment it.
Fourth, these employment declines remain after conditioning on firm-time effects, with a 13% relative employment decline for young workers in the most exposed occupations
Fifth, these labor market adjustments are more visible in employment than in compensation.
Sixth, we find that these patterns hold in occupations unaffected by remote work and across various alternative sample constructions”
Source: Brynjolfsson et al. (2025): Canaries in the Coal Mine? Six Facts about the Recent Employment Effects of Artificial Intelligence | PDF
Herausheben möchte ich hier, dass gerade junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt kommen und noch keine domänenspezifische Expertise entwickeln konnten, von Künstlicher Intelligenz betroffen sind. Das ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert.
Einerseits scheint Expertise nicht so leicht durch KI ersetzbar zu sein, was wiederum für erfahrene, auch ältere Mitarbeiter spricht. Diese sollten natürlich Künstliche Intelligenz nutzen und nicht ablehnen.
Weiterhin sind es ja gerade junge Menschen, die in ihren Jobs mit Digitalisierung und auch mit Künstlicher Intelligenz arbeiten möchten. Die Innovation “Künstliche Intelligenz” kann anhand der genannten Effekte durchaus als reflexiv angesehen werden. Siehe dazu auch Freund, R.; Chatzopoulos, C.; Lalic, D. (2011): Reflexive Open Innovation in Central Europe.
