Kohärenzwissen als neue Wissensform

Die Entgrenzung des Wissens führt zu einem neuen Wissensbegriff und zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt. Darüber hinaus gibt es noch eine Wissensform, die sich eher in der Expertise zeigt, und sich daher von dem Google-Wissen unterscheidet.

“Dieses etabliert sich über seine Verankerung in überlieferten Wissensformen. Das Kohärenzwissen ist ein anknüpfendes Wissen. Es lebt von den vielfältigen Erklärungsversuchen, mit denen es sich vergleicht, denen es sich anschließt oder über die es hinausführt. Grundlegend ist die Vielfalt der Perspektiven, welche in dieses Wissen integriert sind und auch unauflösbare Widersprüche beinhaltet, die aufzulösen bislang nicht gelungen ist. Das Kohärenzwissen ist der Hort der Expertise. Es tritt in Fachbüchern, Lexika und Ausbildungs- oder Studienunterlagen zutage und ist dem Selbstlernen zugänglich. Um jedoch den Umgang mit Wiedersprüchen, Unsicherheiten oder gar Fehlern zu lernen, lohnt es sich Expertinnen und Experten bei solchem Umgang  zu beobachten und mit ihnen in Kontakt zu treten. Diese Begegnungen haben wenig mit Unterricht, viel aber mit Interaktion, Nachfrage und Begleitung zu tun” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Es ist in der heutigen Zeit wichtig, den Wissensbegriff, weitere Wissensformen und den jeweiligen Umgang mit den neuen Wissensformen zu thematisieren, denn letztendlich wird sich aus diesen Betrachtungen auch ein neues Wissensmanagement ableiten.

“Google-Wissen” als neue Wissensform

In der Vergangenheit wurden die Unterschiede zwischen Daten, Informationen und Wissen z.B. bei der erweiterten Wissenstreppe, bzw. bei dem noch besseren Verständnis der Wissenstreppe thematisiert.

Ein neuer Wissensbegriff führt heute jedoch zu neuen Wissensformen, zu denen auch das “Google-Wissen” zählt, das wir (alle?) in irgendeiner Form nutzen. Doch was macht dieses “Google-Wissen” aus? Dazu habe ich bei Arnold (2017) folgendes gefunden:

“Das sich verbreiternde Google-Wissen ist ein in hohem Maße dem Selbstlernen zugängliches Wissen. Es ermöglicht eine bislang unerreichte Aktualität im Detail (Stichwort „Evidenz“), ohne dass sich jedoch automatisch Expertise ergibt: Aus vielen Details resultiert keineswegs automatisch ein kohärentes Wissen, insbesondere, wenn es sich einem bloßen Surfen verdankt. Obgleich das Internet auch Zugänge zu Lernplattformen und anderen Selbstlernmöglichkeiten zunehmend offeriert, die durchaus auch eine Vertiefung von Expertise initiieren, anregen und gestalten können, darf doch andererseits nicht übersehen werden, dass aus solchen insularen Vertiefungen alleine wohl kaum ein professionell breit akzeptierter Status erwachsen kann” (Arnold 2017; eigene Hervorhebungen).

Die angesprochene Evidenz meint hier, dass das “Google-Wissen” für eine Sache geeignet erscheint – viabel ist, was der Autor noch weiter beschreibt/charakterisiert. Interessant dabei ist auch die am Ende erwähnte Kritik an den eher inselartigen Vertiefungen des Wissens.

Der “reflexible Mensch” und der Umgang mit Wissen

In den vergangenen Jahrzehnten der Industriegesellschaft wurde es zunächst immer wichtiger flexibel zu sein (Der flexible Mensch), um sich den Veränderungen im Umfeld anzupassen. Der Strukturbruch zwischen Einfacher und Reflexiver Modernisierung hat gezeigt, dass Flexibilität nicht ausreicht, um das turbulente Umfeld zu bewältigen. Bei der Reflexiven Modernisierung geht es um Kontingenzzuwachs, um die Nebenfolgen sozialen Handelns, und um die Krise der Realitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen. Der reflexive Mensch muss daher auch sein Verständnis von Lernen und Wissen den neuen Gegebenheiten anpassen. In Arnold, R. (2017) geht man noch einen Schritt weiter und verbindet den flexiblen Menschen und den reflexiven Menschen zum reflexiblen Menschen.

Der reflexible Mensch lernt dabei nicht nur „etwas“, sondern erweitert seine persönlichen Fähigkeiten
– zur Erschließung von Wissensquellen,
– zum Umgang mit Neuem,
– zur Planung und Gestaltung eigener Lernprojekte,
– sowie zur Veränderung vertrauter Sichtweisen und Routinen” (ebd.).

Dabei spielen die neuen technologischen Möglichkeiten wie z.B. Künstliche Intelligenz eine bedeutende Rolle, da sie ganz neue Lernmöglichkeiten und Wissenskonstruktionen ermöglichen.

Ein neuer Wissensbegriff

Der Begriff “Wissen” hat sich n der Vergangenheit immer wieder verändert, und wird dies auch in Zukunft tun. In dem Beitrag Vom Wissen als Besitz zum Wissen als Prozess wird diese Transformation deutlich. Zusammen mit den neuen Technologien, wie das WWW oder auch Künstliche Intelligenz, entsteht ein neuer Wissensbegriff.

„Wissen begründet sich in der gegenwärtigen Gesellschaft in dem Zusammenspiel vieler Wissensfragmente, die unter anderem im world wide web (www) technisch zusammengeführt werden und dort als gemeinsam verfügbares Wissen auftauchen, das durch Prozesse der Wissensbegründung in einer Erfahrungsgemeinschaft konstituiert wird. Dieser Wissensbegriff ist neu (vgl. Neusser 2013, zitiert in Arnold 2017:88).

Diese Entwicklung wirft zugleich Fragen zum Umgang mit diesem neuen Wissensbegriff auf. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für ein modernes Wissensmanagement?

Was hat lernen mit atmen zu tun?

Image by Ri Butov from Pixabay

Es ist immer wieder erstaunlich, dass alle und jeder über das Lernen mitreden – in Unternehmen und im Bildungssektor. In den Unternehmen geht es beispielsweise um die Lernende Organisation, obwohl viele Mitarbeiter und Führungskräfte kaum etwas über das Lernen von Erwachsenen verstehen. In den Schulen sprechen alle Eltern beim Lernen ihrer Kinder mit, und sehr viel Politiker sind auf einmal Bildungspolitiker, obwohl kaum jemand wirklich weiß, wie Kinder lernen. Es geht den Politikern möglicherweise eher um die nächsten Wahlen.

Bei diesen Diskussionen können wir auch erkennen, dass das Lernen hauptsächlich den Institutionen/Organisationen zugeschrieben wird – was so nicht stimmen kann. In Anlehnung an das bekannte Zitat von Paul Watzlawick “Man kann nicht nicht kommunizieren” (Quelle) hat Arnold (2017) es für das Lernen wie folgt formuliert: Man kann nicht nicht Lernen – und das auch noch mit dem Atmen verglichen.

“Menschen lernen, wie sie atmen – in regelmäßigen Zügen, nicht endend, manchmal flach, manchmal tief einatmend, bisweilen stockt ihnen der Atem. So, wie man auch nicht atmen kann, so kann man auch nicht nicht lernen: Der Mensch muss die aktive Aneignung seiner Umwelt ebenso wenig lernen, wie er auch das Atmen nicht erst lernen muss, indem er z.B. eine Atemschulung besucht. Zwar muss der Mensch in extremen Situationen bisweilen beatmet werden, doch ist dies immer bloß eine vorübergehende Maßnahme, wenn die Atemfunktionen seiner Lungen aussetzten” (Arnold 2017).

Wenn wir also permanent lernen und atmen, scheint es nicht immer zielführend zu sein z.B. das Lernen zu lernen, oder Lebenslanges Lernen zu propagieren, denn das passiert sowieso. Wir sollten uns bewusst machen, dass Lernen zu unserem Leben gehört – auch um zu überleben. Lernen ist dabei der Prozess und Wissen das Ergebnis (frei nach Wilke).

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Vom Wissen als Besitz zum Wissen als Prozess

Wenn wir von Wissen sprechen oder schreiben ist oft unklar, um welchen Begriff es hier wirklich geht. Bei Arnold (2017) habe ich dazu eine erste Hilfestellung gefunden. arnold schlägt vor, vom Wissen als Besitz zu einem Wissen als Prozess überzugehen.

Oft wird Wissen immer noch zu sehr als Besitz verstanden (Typ A), der eher als material, explizit und passiv charakterisiert werden kann. Daran schließt sich ein Wissensumgang an, bei dem es eher als Aneignung und Teilung des vorhandenen bzw. notwendigen Wissens geht.

Versteht man Wissen eher als Prozess (Typ B), sind es die Aspekte reflexiv, implizit und aktiv, die charakteristisch sind. Daraus leitet sich dann auch der Wissensumgang ab, der Befähigung zur Teilhabe an der Mitgestaltung des Wissens bedeutet.

Die folgende Tabelle fasst alles noch einmal übersichtlich zusammen.

Vom Wissen als Besitz
(Typ A) >
zum Wissen als Prozess
(Typ B)
Aspektematerial
explizit
passiv
reflexiv
implizit
aktiv
Wissens-
umgang
Wissensumgang als Aneignung
und „Teilung“ des vorhandenen bzw. notwendigen Wissens
Wissensumgang als
Befähigung zur Teilhabe an der Mitgestaltung des Wissens
Quelle: Arnold (2017)

Siehe dazu auch Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung, oder auch Implizites sollte in Organisationen stärker beachtet werden.

Formelle und informelle Beziehungen im Projektteam

Das Projektteam und seine Beziehungen untereinander (Eisenschink 2014) – Eigene Darstellung

Wenn verschiedene Personen in einem Projekt zusammenarbeiten, kommt es untereinander zu vielfältigen Kommunikationsprozessen. Anhand der Abbildung wird deutlich, dass es bei 5 Personen schon viele Verbindungslinien zwischen den Teammitgliedern gibt. Werden es 6, 7 oder mehr Teammitglieder, ist es kaum noch möglich, dass jeder mit jedem kommunizieren kann. In so einem Fall, sollte ein Kernteam und ein erweitertes Team gebildet werden. Weiterhin gibt es nicht nur die formellen Beziehungen, sondern auch vielfältige informelle Kontakte/Beziehungen zwischen den Teammitgliedern.

“Das Projektteam stellt ein System dar, da die einzelnen Teammitglieder verschieden und miteinander vernetzt sind. Die Verbindungslinien zeigen visualisiert die formellen und informellen Beziehungen zwischen den Projektteammitgliedern auf. Formelle Beziehungen können der Austausch von Fachinformationen (z.B. Berichte, Mitteilungen, …) sein. Informelle Beziehungen können sich durch Hobbys, gemeinsame Gesprächsthemen oder Sympathie auf der emotionalen Ebene bilden” (Eisenschink 2014).

Es ist offensichtlich, dass auch die informellen Beziehungen zum Erfolg eines Projekts beitragen. Bei rein digital durchgeführter Zusammenarbeit kommt es allerdings auf dieser Ebene zu reduzierten Beziehungen durch das verwendete Medium. Siehe dazu auch Persönliche Gespräche und Zoom im Vergleich: Das sagen die Neurowissenschaften dazu. Weitere Blogeiträge zum Stichwort “Team”.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

The History of Knowledge: Gab es nicht schon immer Wissensgesellschaften? Befinden wir uns schon in der KI-Gesellschaft?

Der Begriff “Wissensgesellschaft” wird mit Peter Drucker in Zusammenhang gebracht, der schon in den 1960er Jahren erkannt hat, dass in der westlichen Welt nicht mehr die klassischen Ressourcen, sondern verstärkt Wissen Werte schaffen wird. In dem Buch von Östling und Heidenblad (2023): The History of Knowledge wird der Zusammenhang wie folgt dargestellt.

“This concept was coined at the end of the 1960s by American social scientists and intellectuals such as Daniel Bell and Peter Drucker. They maintained that the Western world had entered a new post-industrial state. Here it was no longer raw materials, factories, and labour that created wealth. Instead, people’s knowledge was the most important thing. It was felt that the collected body of knowledge was in a state of exponential growth. When thinkers looked towards the future, they predicted that knowledge – and advanced forms of knowledge work – would only become more important. These ideas were adopted in the 1970s by sociologists and economists, as well as by politicians and journalists. Gradually, the knowledge society became self-defining” (Johan Östling and David Larsson Heidenblad (2023))

In dem genannten Buch wird deutlich, dass es eine sehr lange Geschichte des Wissens (The History of Knowledge) gibt. Insofern können wir unsere heutige Gesellschaft mit “Wissensgesellschaft” titulieren. Wir sollten allerdings auch erkennen, dass der Begriff etwas eingeschränkt nur unsere westliche Perspektive widerspiegelt, und nur einen kleinen zeitlichen Ausschnitt der gesellschaftlichen Entwicklungen beschreibt. Befinden wir uns möglicherweise schon in der nächsten oder übernächsten Phase? Wenn ja, wie wollen wir diese titulieren? Wie wäre es mit die KI-Gesellschaft?

Wissen und Erfahrungen als Input und Output von Projekten

Düsterer, G. (2000): Wissensmanagement in Projekten, in: projektmanagementaktuell 4/2000 – der Begriff “WISSEN” wurde von mir jeweils ergänzt

Projekte sind insgesamt keine Routine, und heben sich somit von den Routineprozessen in den Organisationen in den Abteilungen ab. Dennoch nutzen Projekte Wissen aus der Routine und erzeugen wiederum Wissen für die Routine. Darüber hinaus sollte auch immer das Wissen aus vorherigen Projekten genutzt werden und jedes Projekt sollte selbst Wissen für nachfolgende Projekte zur Verfügung stellen.

Anhand dieser einfachen Betrachtung der Zusammenhänge beim Umgang mit Wissen wird schon deutlich, dass dem Umgang mit Wissen – dem Wissensmanagement – in Projekten, Programmen und Portfolios eine bedeutende Rolle zukommt. Einzelne Elemente des Umgangs mit Wissen werden oft in den Organisationen genutzt, gerade wenn es um das explizierbare Wissen geht. Was häufig noch fehlt, ist ein systematischer Umgang mit den verschiedenen Wissensdomänen (z.B. Wissen über Kunden etc.) und Wissensarten (z.B. Implizites Wissen, Explizites Wissen).

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Storytelling etwas grundlegender betrachtet

Image by Mircea – All in collections from Pixabay

Storytelling ist ein wichtiges Element im Wissensmanagement. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es im Internet nur so von entsprechenden Webseiten “wimmelt”. Was mir oft fehlt, ist eine gute Fundierung durch aktuelle Quellen. In 2015 hatte ich schon einmal in dem Beitrag Was ist dran am Storytelling? darauf hingewiesen. In einem aktuellen Artikel sind die wichtigsten Zusammenhänge noch einmal kompakt dargestellt und (!) die dazugehörenden Quellen angegeben.

“All animals and plants communicate in one way or another. However, creating and telling stories to make sense of the world and one’s experiences are uniquely human traits (Boyd 2018). The etymology of the word story relates to the Greek ????? (eîdos), which means the idea, form, or shape of things (Martin and Miller 1988). Through stories, one makes sense of past events and creates new worlds and possibilities for ourselves and others (Boyd et al. 2020). Storytelling is a subjective and engaging way of referring to an event or series of events through multisensory mediums such as audial, verbal, non-verbal, visual, and textual communication (Anderson 2010)” (Juliette Cortes Arevalo, Kathryn Adamson, Emanuele Fantini, Laura Verbrugge, and Roland Postma (2023): Storytelling, in: Faix (Hrsg)).

Die Autoren fassen in ihrem Artikel auch sechs Punkte zusammen, die bei einer Story berücksichtigt werden sollten. Weiterhin werden daraus konkret acht Fragen (inkl. Beispiele) genannt, die ganz praktisch als kleiner Leitfaden genutzt werden können.