Anmerkungen zur Studie Fraunhofer IAO (2022): Homeoffice Experience 2.0

In der Studie Fraunhofer IAO (2022): Homeoffice Experience 2.0 (PDF) wird analysiert, wie sich der Trend zum Homeoffice in Zeiten von Corona entwickelt hat: “Die webbasierte Befragung hatte zum Ziel, die Arbeitssituation der Beschäftigten nach einem Jahr im Homeoffice zu analysieren.” Folgende Ergebnisse konnten ermittelt werden (ebd. S. 4):

Austausch mit Kolleg*innen als Motivation für eine Rückkehr ins Büro.

Empfundene Produktivität beim Arbeiten von zu Hause aus nimmt weiter zu.

Homeoffice stärkt die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.

Ergonomie und technische Ausstattung haben Einfluss auf die Rückkehrbereitschaft ins Büro.

Rückkehrbereitschaft der Mitarbeitenden ist unabhängig vom Alter.

Gute Anbindung und gutes Essen sind die größten Anreize für eine Rückkehr ins Büro.

Die Ergebnisse überraschen jetzt nicht wirklich. Dennoch ist es gut, eine Studie vorliegen zu haben, die nicht tendenziell, und von ökonomischen Interessen geleitet ist. Nach den vielen und langwierigen Diskussionen über fie Frage “Entweder Homeoffice oder Büro?” kommen alle Beteiligten nunmehr langsam aber sicher zu der Erkenntnis, dass es ein Sowohl-als-auch sein muss. Also sowohl Büro als auch Homeoffice. Zwischen beiden Extrempositionen gibt es – wie immer – ein Kontinuum von Möglichkeiten der Gestaltung/Ermöglichung von Arbeit (1.0 bis 4.0). Diese Möglichkeiten gezielt für jede berufliche Domäne, bzw. für jede Organisation zu gestalten, ist eine der modernen Herausforderungen.

Neue Arbeitswelt: Vertrauen als Ersatz für Kontrolle?

In der heutigen Arbeitswelt kommt es immer stärker darauf an, gemeinsam komplexe Problemstellungen zu lösen. Das kann grundsätzlich durch mehr Selbstorganisation auf allen Ebenen erfolgen. Die bisher vorherrschende Art der Führung in Organisationen bewegt sich dabei von der bekannten Fremdorganisation hin zu mehr Selbstorganisation. Das bisher übliche Misstrauen und das Überwachen von Arbeit weicht dabei immer mehr einer Art Vertrauens-Arbeit. Diese Veränderung fällt vielen Führungskräften sehr schwer, da sie oft noch den Vorsatz leben “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser”. Heute muss es allerdings eher heißen “Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser”.

“Vertrauen zeichnet sich laut Cummings und Bromiley (1996) durch die Überzeugung aus, dass andere sich dafür einsetzen, eingegangene Verpflichtungen einzuhalten, ehrlich zu sein und sich keinen Vorteil zum Nachteil der Gruppe verschaffen (Jarvenpaa und Leidner 1999). Vertrauen ist, wie die geteilten mentalen Modelle im Team, ein emergentes Teamphänomen, welches dynamischer Natur
ist und sich durch gemeinsame Erfahrungen im Team herausbildet (Breuer et al. 2016). Teamvertrauen zeigt sich durch die gemeinsame Bereitschaft, sich dem Team gegenüber verwundbar zu machen. Es basiert auf der Erwartung, dass sich die Teammitglieder konform zu den Teamzielen und -normen verhalten, ohne dass dies kontrolliert werden müsste. Damit kann Vertrauen als Ersatz für Kontrolle dienen. Es zeigt sich demnach in Situationen, in denen tatsächliche Kontrolle kaum möglich ist – wie es in virtuellen Settings der Fall ist – als unabdingbare Komponente für die Teamleistung (Peters und Manz 2007)” (Bernardy, V.; Müller, R.; Röltgen, A. T.; Antoni, C. H. 2021:123).

Siehe dazu auch Vertrauen im Innovationsprozess (PDF), Vertrauen in Zeiten des Internets, Zahlengläubigkeit, Vertrauen und Erfolg und Martin, J. (2006): Multiple intelligence theory, knowledge identification and trust.

Koexistenz von Homeoffice und Büro: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein?

Das Fraunhofer Institut für Arbeitsorganisation (Fraunhofer IAO) hat in einer Studie untersucht, wie Teamarbeit zwischen Homeoffice und Büro funktionieren kann. Die Ergebnisse sind im aktuellen Fraunhofer Magazin 1/21 in dem Beitrag Toprak, M. (2021): Teamarbeit nach Corona, S. 62-63 beschrieben und erläutert.

Natürlich gehören zu den Erfolgsfaktoren moderne Werkzeuge wie Whiteboards, Videokonferenz-Tools mit Breakout-Sessions usw. Darüber hinaus ist es spannend zu lesen, dass die Präsenz im Büro das Entstehen von kreativen Ideen, und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Team, dem Projekt und dem Unternehmen fördert (Dienes, ebd. S. 63).

»Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass ab einer Entfernung von 15 Metern der informelle und spontane Austausch zwischen den Mitarbeitenden schwierig wird. Dann sinkt auch die Kreativität. In dem Zusammenhang ist es zusätzlich wichtig, dass die Mitarbeitenden leicht Blickkontakt halten können.« Variable und vielfältig gestaltete Räume sind nach den Erkenntnissen der Fraunhofer-Forschenden eine unverzichtbare Voraussetzung für die erfolgreiche Teamarbeit (ebd. S. 63).

Informelle Kontakte ermöglichen und unterstützen das informelle Lernen, wodurch das implizite Wissen erschlossen werden kann. Bei den ganzen Diskussionen über den Einsatz moderner Technologien wird zu stark die Kosteneffizienz in den Vordergrund gestellt, und zu wenig die der Umgang mit impliziten Wissen, das Erschließen von Expertise und damit auch Wert für das Unternehmen beachtet.

Hybrid Wok is the new Normal – es kommt darauf an im Kontinuum zwischen den Polen den passenden Ansatz für die im Unternehmen anfallenden Arbeiten zu finden – dazu gibt es keine Blaupause. Beispiele von Best Practices können hier nur Anregungen geben, den eigenen Weg/Ansatz zu finden. Möglicherweise hilft hier eine Art von Konfigurator, um die verschiedenen Möglichkeiten von (New Work) Arbeit in einem definierten Lösungsraum (Fixed Solutionspace) zu finden. Diese Punkte sind alles Elemente der hybriden Wettbewerbsstrategie Mass Customization.