Kommt es zur Erosion der Intelligenz?

Arzt1.jpgWie in unserem Blog schon angedeutet, wird der Intelligenzbegriff in den verschiedenen Zusammenhängen thematisiert. In dem Artikel Die Erosion der Intelligenz (NZZ vom 26.06.2014) wird  zunächst von der “Erosion von Fertigkeiten und qualifizierten Tätigkeiten” gesprochen, da technische Alternativen immer stärker genutzt werden. Am Ende kann man dann folgendes Résumé lesen: “Denn dieser Blick führt auch zu einer Erosion – der umsichtigen Intelligenz nämlich. Sie ist ernster zu nehmen als alle gegenwärtigen Wirtschaftskrisen zusammen.” Unklar beibt allerdings, was der Autor unter “Intelligenz” versteht, denn die Diskussione geht durchaus in verschiedene Richtungen (Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen). Oder meint der Autor die Intellektuellen als die Intelligenz einer Gesellschaft? Wenn ja, wie würde er dann die anderen – Nicht-Intellektuellen – bezeichnen? Die verschiedenen Begriffe wie Fertigkeiten, Fähigkeiten, Qualifikationen, Kompetenzen haben durchaus auch ihre Beziehungen zum Konstrukt “Intelligenz”, doch werden diese in dem oben genannten Artikel nicht deutlich. Möglicherweise müssen Zeitungen auch solche Artikel herausgeben, damit sich der geneigte Leser darüber aufregen kann – bei mir hat das jedenfalls funktioniert.

SWR 2 berichtet über Intelligenz, IQ und Intelligenzen

iq-swr2Der Intelligenzbegriff ist sehr schillernd und wird nicht nur heute sehr kontrovers diskutiert. Ob in der Schule, im Beruf oder als private Person kommt man um den Begriff nicht herum. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Fernsehsender wie der Bayerische Rundfunk oder – wie jetzt – der SWR 2 mit dem Konstrukt befassen. In der Einleitung zur Sendung Der vermessene Mensch ist folgendes zu lesen: ”

Wie sinnvoll sind Intelligenztests?

Der IQ, der “berühmt-berüchtigte” Intelligenzquotient, soll die Problemlösefähigkeit eines Menschen auf einen objektiven Punktwert bringen. Er macht das Testergebnis einer Person mit dem anderer Personen statistisch vergleichbar. Hat damit jeder Mensch einen eigenen, festen Intelligenz-Quotienten? Und ist das Messen kognitiver Leistungen dem menschlichen Geist wirklich angemessen?

Im Text wird neben dem IQ auch darauf hingewiesen, dass es durchaus auch alternive Deutungsmuster zum Intelligenzbegriff gibt, beispielsweise die von Howard Gardner vorgeschlagene Theorie (das vorgeschlagene) Modell der Multiplen Intelligenzen. Es freut mich, dass der Intelligenz-Quotient (IQ) auch kritisch hinterfagt wird, denn es kommt auch in der Intelligenzforschung zu einer Entgrenzung des Phänomens (Sternberg, Salovay und Mayer, Goleman usw.). Neben dem angesprochenen Text gibt es sogar auch eine Audiodatei als Download (25 MB). Siehe dazu auch

GfWM THEMEN 7 im Februar 2014

gfwm-2-2014Die Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. hat im Februar wieder einige interessante Beiträge veröffentlicht: GfWM THEMEN 7 (PDF). Ich möchte hier auf den Beitrag Vorschlag für eine Weiterentwicklung des GfWM-Wissensmanagement-Modells zur Version 2.0 (S. 32-34 von Sebastian Peneder) eingehen. Darin wird auf den Zusammenhang zwischen Intelligenz und Kompetenz verwiesen (S. 33) und verschiedene Kompetenzdefinitionen erwähnt. Darüber hinaus wird eine “eigene Darstellung” zu verschiedenen “Kompetenzkategorien” vewendet, die allerdings nicht ganz neu ist. Siehe dazu ausführlich Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Die neue Sicht auf Intelligenz

hautnahTechnik1.jpgEs ist spannend zu sehen, wie sich die Forscher der Künstlichen Intelligenz immer mehr auch mit einem umfassenderen, neuen Verständnis von Intelligenz befassen. Einer der führenden europäischen Forscher auf der Gebiet der Künstlichen Intelligenz, Rolf Pfeifer, hat erste Hinweise in seinem Buch Pfeifer, R.; Bongard, J. (2007): How the Body Shapes the Way We Think: A New View of Intelligence veröffentlicht. Auf der TedxZurich2013 hat Rolf Pfeifer den Gedanken noch einmal auf den Punkt gebracht:

 

Traditionally, in disciplines like artificial intelligence, robotics, and neuroscience, intelligence is viewed as located in the brain and as a consequence, there has been a focus on the study of the brain itself or more generally, the control. Recently, especially with the rise of biologically inspired approaches, there has been increasing consensus that intelligence is not localized in the brain, but is distributed throughout the entire organism, and that it is the result of an intricate relation between brain, body, and environment.

Intelligenz zeigt sich somit in einer intelligenten Problemlösung (Complex Problem solving) bei der der Geist, der Körper und das Umfeld (Kontext der Problemlösung) interagieren. Genau diese Überlegungen sind Bestandteil der Multiple Intelligenzen Theorie, die von Howard Gardner vertreten wird.

Das Konzept der Multiplen Kompetenz basiert auf der Multiple Intelligenzen Theorie

In dem Beitrag Rauner, F. (2013): Multiple Kompetenz. Die Fähigkeit der holistischen Lösung beruflicher Aufgaben. A+B Forschungsberichte Nr. 10/2013 Bremen, Heidelberg, Karlsruhe, Weingarten: A+B Forschungsnetzwerk begründet Felix Rauner noch einmal das Konzept der Multiplen Kompetenz, das er schon in einem früheren Beitrag Rauner, F. (2007): Praktisches Wissen und berufliche Handlungskompetenz skizziert hat. Es freut mich, dass Felix Rauner auch heute noch die Multiple Intelligenzen Theorie von Howard Gardner als eine wichtige Basis für die Begründung einer Multiplen Kompetenz heranzieht (S. 16ff.). Besonders hervorheben möchte ich folgende Texte (S. 17-18):

In diesem Sinne gelingt CONNELL, SHERIDAN und GARDNER (2003) in einem grundlegenden Beitrag zur kategorialen Differenzierung zwischen abilities, competencies und expertise ein wichtiger Schritt zur Begründung einer Theorie multipler Kompetenz. Mit dem Begriff der multiplen Kompetenz soll in Anlehnung an das Konzept der multiplen Intelligenz von Howard GARDNER dem Stand der Kompetenz- und Wissensforschung Rechnung getragen werden, wonach mehrere relativ autonome Kompetenzen beim Menschen unterschieden
werden können, die bei den Individuen – je nach beruflicher Sozialisation und Qualifizierung – höchst verschieden ausgeprägt sein können.

Die Nähe zu der von GARDNER begründeten Theorie der multiplen Intelligenz ist offensichtlich. Beide, die Wissens- und Kompetenzdebatte sowie die Abkehr vom Konzept der universellen Intelligenz, verweisen auf die Vielfalt menschlicher Fähigkeiten (GARDNER 1991, 28 ff., 124 ff.).

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Wettbewerbsfähigkeit, Lernen, Kompetenz und Intelligenz hängen zusammen – aber wie?

Die heutige Arbeitswelt hat sich starkt verändert. “The core competences of the knowledge age include creative problem solving, innovation the ability to work under pressure, and interpersonal, teamwork and leadership skills” (Sallis/Jones 2002:80). In diesem Kontext kommt dem Lernen eine zentrale Bedeutung zu. Ein moderner Lernbegriff mit seinen vier Dimensionen (Dewe/Weber 2007) versteht Lernen als Problemlösungsprozess unter Unsicherheit und wird zur Basis eines entsprechenden Lernmanagements auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk (vgl. Pawlowsky 2003:75f.) in Unternehmen. Dadurch wird Lernen zum Lernmanagement und letztlich zum Kompetenzmanagement in den Organisationen (Zusammenhang). Zentraler Aspekt ist hier die Frage, wie gelernt wird, doch viele Mitarbeiter und Führungskräfte wissen darüber einfach zu wenig: “Success in the marketplace increasingly depends on people learning, yet most people do not know how to learn” (Argyris 1998) oder “The rate at which organizations learn may become the only sutainable source of competitive advantage” (Senge 1990) zeigen die Problematik auf. Ein Ansatz kann hier die Intelligenz bieten, da Intelligenz und Lernen über die Bewältigung einer (komplexen) Probelmlösung zusammenhängen. Arbeitsweltbezogenes Handeln – und die dafür erforderlichen Kompetenzen – stehen allerdings in engen Zusammenhang zu einem neuen Intelligenzverständnis, das zu diesen vielfältigen/multiplen Entwicklungen eine bessere Passung hat, als das reduzierte IQ-Verständnis. Dabei geht es nicht um ein entweder-oder sondern um ein sowohl-als-auch, also um ein integratives Verständnis von Intelligenz. Bei der Betrachtung der heutigen Arbeitsleistung reicht der IQ nicht mehr aus:  “Die Triarchische Theorie (vgl. Sternberg 1984/1985) und die Multiple Intelligenzen Theorie (vgl. Gardner 1983/1993) sind auch dazu geeignet, Brücken zwischen den verschiedenen Ansätzen der Intelligenzforschung zu schlagen, und dem arbeitsweltbezogenen Handeln mit seiner Kontextabhängigkeit und Komplexität gerecht zu werden (vgl. Jez 2005:54). Beide Theorien integrieren damit bisher disparate Forschungsergebnisse und Theorien, wodurch sich ein neuer Rahmen für ein besseres Verständnis von menschlicher Intelligenz und Kompetenz ergeben kann (vgl. Kail/Pellegrino 1988:166). Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk, Wen interessiert schon die Lerngeschwindigkeit?

Der IQ soll ein Mythos sein? Eine groß angelegte Studie soll das belegen.

In dem Artikel Hamshire, A.; Highfield, R. R.; Parkin, B. L.; Owen, A. M. (2012): Fractionating human intelligence. In: Neuron, Volume 76, Issue 6, 1225-1237, 20 December 2012 argumentieren die Autoren aufgrund einer groß angelegten Studie, dass der Intelligenz-Quotient (IQ) ein Mythos ist. Siehe dazu auch Western-led research debunks the IQ myth, IQ a myth – study says, Intelligenz: Adieu IQ? Ähnlich argumentiert auch Howard Gardner mit seiner Multiple Intelligenzen Theorie, wobei er den IQ als Teil eines multiplen Systems sieht (MI und IQ). In meiner Forschungsarbeit gehe ich weiterhin davon aus, dass eine Person diese verschiedenen Intelligenzen in dem jeweiligen Handlungskontext aktiviert und somit zeigt. Diese Multiplen Kompetenzen zeigen sich als Emergenzphänomene auf den verschiedenen Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Personales Wissen und organisationales Wissen intelligent vernetzen

Wie Sie der Grafik entnehmen können, stellt Willke (2003) dem personalen Wissen (Laien, Facharbeiter, klassische Professionen, Experten) ein eher organisationales Wissen gegenüber, das auf individueller und systemischer Ebene Expertise darstellt. Die Vernetzung des Wissens von Experten in z.B. Projekten ist somit ein wichtiges Kennzeichen moderner Organisationsformen. Bezeichnend ist weiterhin, dass Willke dabei ausdrücklich auch den Intelligenzbegriff mit einbezieht. Allerdings wird hier der IQ erwähnt. Wie Sie wissen, würde ich diesen Ansatz etwas erweitern…. Siehe Multiple Intelligenzen und Multiple Kompetenzen.

Das EU-Projekt IN PATH befasst sich mit den Möglichkeiten der Multiple Intelligenzen Theorie

Das EU-Projekt IN PATH befasst sich von 2011 bis 2013 mit den Möglichkeiten der Multiple Intelligenzen Theorie. Der deutsche Partner in dem Projekt ist das Institut für Lern-Innovation an der Universität Erlangen. Es wird ein Handbuch entwickelt, das “unterschiedliche Berufsgruppen (Sozialarbeit, Erwachsenenbildung, Arbeitsamt, etc.) darin unterstützen [soll], die Fähigkeiten ihrer Klienten identifizieren und stärken zu können.” Es freut mich sehr, dass es zur Multiple Intelligenzen Theorie weitere EU-Projekte gibt. Das von mir initiierte und von 2004-2006 durchgeführte EU-Projekt MIAPP hatte sich das Ziel gesetzt, einen generellen Überblick zur Anwendung der Multiple Intelligenzen Theorie in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zu erarbeiten. Ich bin sehr gespannt, wie das angesprochene Handbuch des EU-Projekts IN PATH aussehen wird. Anfnag 2013 werde ich es mir ansehen können… Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Arbeitsweltbezogenes Handeln, Intelligenz und Kompetenz

Das arbeitsweltbezogene Handeln stellt immer höhere Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter. Wobei es gerade die Mitarbeiter sind, die die mit Interaktionsarbeit verbundene Unsicherheit bewältigen können. Durch eine Entgrenzung des Intelligenzkonstrukts führt in diesem Zusammenhang zu einem besseren Verständnis von Intelligenz und Kompetenz. Freund (2011:8): “Die Triarchische Theorie (vgl. Sternberg 1984/1985) und die Multiple Intelligenzen Theorie (vgl. Gardner 1983/1993) sind auch dazu geeignet, Brücken zwischen den verschiedenen Ansätzen der Intelligenzforschung zu schlagen, und dem arbeitsweltbezogenen Handeln mit seiner Kontextabhängigkeit und Komplexität gerecht zu werden (vgl. Jez 2005:54). Beide Theorien integrieren damit bisher disparate Forschungsergebnisse und Theorien, wodurch sich ein neuer Rahmen für ein besseres Verständnis von menschlicher Intelligenz und Kompetenz ergeben kann (vgl. Kail/Pellegrino 1988:166).”