Sieht so Ihre Wissensgesellschaft aus?

Unterricht17.jpgIn der Süddeutschen Zeitung vom 23.05.2008 habe ich gerade den Artikel Sehr geehrte Bildungsminister! von Tanjev Schultz gelesen. Es geht darin um einen fiktiven Brief von Wilhelm von Humboldt an die Kultusminister, die sich ja immer wieder gerne auf unseren “ersten Bildungsbeauftragten” beziehen. Man findet in dem Artikel interessante Stellen: “Viele Schulen wirken auf mich wie Lernfabriken aus den frühen Tagen der Industriegesellschaft. (…) Sie testen Zehnjährige? (…) Sind Sie noch bei Trost? (…) Ich glaube zwar nicht, dass es ausreicht, einfach mehr Geld in die Schulen und Universitäten zu stecken. Aber dass Sie, gemessen am Reichtum Ihrer Gesellschaft, zu wenig für die Bildung ausgeben, das wissen Sie doch selber.” Natürlich wissen wir alle längst um die hier genannten Punkte, dennoch ist es gut, wenn man die Bedeutung des Bildungssystems für die wissensbasierte Gesellschaft immer wieder herausstellt. Denn eines dürfte deutlich sein: Unsere Politiker haben es noch nicht verstanden – möglicherweise wollen sie es ja gar nicht verstehen…

Multiple Intelligenzen in Schulen

mietzel-buchcover.jpgDas Lehrbuch Mietzel,G. (2003): Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens hat sich mittlerweile als Standardwerk in der Ausbildung von Studierenden der Pädagogischen Psychologie, der Pädagogik und des Lehramtes etabliert. Prof. Gerd Mietzel ist an der Universität Duisburg-Essen tätig. In der 7. Auflage des Lehrbuchs (September 2003) findet man auf der Seite 257 folgenden Hinweis: “Gardners Beitrag ist bedeutsam für die schulische Arbeit, weil er die – auch aus gesellschaftlicher Sicht begründbare – Notwendigkeit herausstellt, sich in der Schule nicht nur auf die Förderung logisch-mathematischer und sprachlicher Intelligenzen zu konzentrieren, sondern darüber hinaus weitere ´Intelligenzen´ anzuerkennen.” Prof. Mietzel weist in seinem Lehrbuch deutlich darauf hin, wie wertvoll die Multiple Intelligenzen Theorie von Gardner für Schulen sein kann.

Stefanakis, E. (2002): Multiple Intelligences and Portfolios. A window into the learners mind

stefanakis-evangelista-multiple-intelligences-and-portfolios.jpgDas Buch Multiple Intelligences and Portfolios von Evangelista Stefanakis befasst sich mit den Möglichkeiten, die Multiple Intelligenzen Theorie für Schulen zu nutzen (Beispiel-Kapitel). Evangelista hat in dem Project Zero mitgearbeitet und berichtet in dem Buch von praktischen Erfahrungen: “She worked with the Harvard Project Zero on the Massachusetts Schools Network on a three-year effort to implement schoolwide portfolio assessment in thirteen urban and rural schools. The contents of this book, which include principal and teacher stories from the Cambridgeport School, grew directly from this experience.” Darüber hinaus ist ihr Portfolio-Ansatz für mich sehr interessant, da er eine Alternative bietet zu den recht simplen “Tests” zur Multiplen Intelligenzen Theorie. Wie Sie aus meinen verschiedenen Blogbeiträgen wissen, können Multiple Intelligenzen in Domänen aktiviert werden: MI ist also kontextabhängig und kann daher nicht durch einen einfachen Out-Of-Context-Text eingeschätzt werden. Dieser Zusammenhang wird oftmals als “Schwäche” der MI-Theorie angesehen – ich sehe das ein wenig anders…. Siehe dazu auch:

  1. Über den Unsinn von Intelligenztests
  2. Multiple Intelligenzen und …
  3. IQ ist kein Garant für Wohlstand
  4. Kompetenz ist kontextabhängig – Intelligenz aber auch

Wagner, B. M. (2006): Wissensmanagement an Schulen

Schueler2018.jpgIn seiner Diplomarbeit Wissensmanagement an Schulen (Inhaltsverzeichnis) stellt B. M. Wagner den aktuellen Stand der Diskussion dar (Seite 2-3): “In der vorliegenden Arbeit wird Wissensmanagement im Hinblick auf den Umgang mit dem beruflichen Wissen von Lehrpersonen betrachtet, (…). Die zentrale Fragestellung (…) ist die nach Empfehlungen für weitere Forschungs- und Implementierungsaktivitäten im Hinblick auf das Thema Wissensmanagement an Schulen. Dafür wird der aktuelle Stand aus Forschung und Implementierung immer weiter verdichtet, sodass am Ende dieser Arbeit ein Überblick über den aktuellen Stand hinsichtlich der Notwendigkeit zur Einführung sowie über die Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten von Wissensmanagement an Schulen vorliegt. Auf Basis der vorgestellten Beiträge, Realisationsbeispiele und Ergebnisse einer Studie zur Dissemination von Wissen sollen Empfehlungen für die Praxis abgeleitet und weitere Forschungsaktivitäten angeregt werden.” Wenn Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis ist (nach Willke), so ist es sinnvoll, Wissensmanagement nicht nur für Unternehmen und Universitäten, sondern auch für Schulen zu nutzen. Konsequenterweise sollte dann auch eine Wissensbilanz – Made in Germany erstellt werden. Siehe dazu auch Kelly, A. (2004): The Intellectual Capital of Schools: Measuring and managing knowledge, responsibility and reward: Lessons from the commercial sector (Dordrecht, New York & London, Kluwer Academic Press) und Prof. Kelly´s Website.

Individuelle Lernprozesse in Schulen und Unternehmen – wie passt das zusammen?

Ich möchte den Beitrag von Jeannette Otto Die Rettung kommt per Post (Die Zeit vom 01.02.2007) zum Anlass nehmen, auf die Konvergenz der Themen in Schulen und Unternehmen aufmerksam zu machen. In dem Beitrag wird sehr schön dargestellt, dass sogenannte “Schulverweigerer” durchaus mit Hilfe von Fernlehrgängen dazu gebracht werden können, ihren Schulabschluss zu schaffen. Wie ist so etwas möglich? Aus meiner Sicht liegt es daran, dass viele der sogenannten “Schulverweigerer” nicht das Lernen verweigern, sondern das Lernen in dem Kontext der Schule verweigern. Das ist ein großer Unterschied. In den traditionellen Schulen (aber auch in Unternehmen) stehen standardisierte Lehrpläne im Mittelpunkt, die Schüler (Mitarbeiter) über standardisierte Lernprozesse erreichen sollen – und wehe nicht, dann gibt es Sanktionen. Das alles macht es der Organisation leicht, alles “im Griff” zu behalten. In diesem Zusammenhang fällt mir dann ein Ausspruch von Jimmy Preslin (11.07.2001) ein, der sagte: “Every time  I pass a jailhouse or a school, I feel sorry for the people inside.” Siehe dazu auch Bildung neu denken.

In der Zwischenzeit gibt es sogar in NRW eine Auszeichnung für Schulen, die Schüler individuell unterstützen – beeindruckend. Man fragt sich, was die Schulen denn sonst gemacht haben? Aber auch in Unternehmen wird immer deutlicher, dass der Teilnehmer im Mittelpunkt der Überlegungen stehen muss (Teilnehmerorientierung). Das führt weg von der Erzeugnisdidaktik und hin zur Ermöglichungsdidaktik, die es dem Lernenden ermöglicht, sich bestimmte Informationen anzueignen. Vom Lehren zum Lernen, vom Vermitteln zum Aneignen usw. Konsequenterweise führt diese Wende zu ganz anderen Anforderungen an die Strukturen/Organisationen in denen individuelle und kollektive Lernprozesse ermöglicht werden sollen. Und hier kommen wir zu einem der Knackpunkte: Wenn Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis ist (siehe Willke), dann ist es für Lernende Organisationen (ob Schule oder Unternehmen) wichtig, einen Kontext (Prozesse, Strukturen usw.) zu schaffen, in dem individuelles und kollektives Lernen ermöglicht wird. Dadurch entstehen ganz andere Anforderungen an Führungskräfte (ob Lehrer oder Manager) die sich nun viel stärker mit den individuellen und kollektiven Lernprozessen befassen müssen. Aber wer macht das schon …? Ein Ansatz kann hier die Multiple Intelligenzen Theorie sein.