Wissenschaft etwas anders gesehen…

In dem Artikel Die “vermessene” Wissenschaft (FAZ vom 31.12.2012, S. 12) plädiert Hans Jörg Hennecke, Professor für Politikwissenschaft an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, für eine “Rückbesinnung auf die persönliche Verantwortung in Politik und Wirtschaft”. Der Autor kritisiert die “exakten Naturwissenschaften” und beschreibt diese Herangehensweise sehr doppeldeutig als “vermessen”. Welche Konsequenzen diese verengte Sichtweise auf hochkomplexe Situationen hat, zeigt Hennecke deutlich auf: “Das Erfahrungswissen, das implizite und verstreute Wissen und Werten Einzelner, wird von explizitem, konstrutivistischem Wissen und Werten des Staates verdrängt”. Ein Sowohl-als-auch wäre hier sinnvoller. Siehe dazu auch Die Welt bleibt unberechenbar und If you can not measure it, you can not manage it.

Wirtschaftssoziologie: Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln verstehen

Der Deutungsanspruch der ökonomischen Theorien wurde bisher in Deutschland größtenteils als gegeben hingenommen. Es bewegt sich allerdings etwas: „A number of authors have recently argued that the neoclassic paradigm – involving its core concepts of rationality and equilibrium – is no longer dominant within mainstream economics, and it has been replaced by a variety of different approaches” (Hodgson 2007: 11, zitiert in Beckert/Deutschmann 2010:10). Nur war bisher nicht ganz klar, was unter der neuen Wirtschftssoziologie zu verstehen ist. Beckert/Deutschmann (2010:11) formulieren es so: “Wirtschaftliches Handeln als soziales Handeln und nicht länger nur als sozial ´kontextualisiertes´ Handeln zu begreifen, ist der Kern des Programms der sogenannten ´neuen´ Wirtschaftssoziologie (Beckert, Fligstein, Granovetter, Swedberg, White u. a.).” Soziales Handeln mit seiner komplexen Interaktion (Kontingenz – Doppelte Kontingenz) zu verstehen und zu nutzen, wird somit zu einer wichtigen Aufgabe in Unternehmen. Allerings sind die vielen Manager darauf (noch) nicht vorbereitet …

Quellen:

Beckert, J.; Deutschmann, C. (2010): Neue Herausforderungen der Wirtschaftssoziologie. In: Beckert, J.; Deutschmann, C. (Hrsg.) (2010): Wirtschaftssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 7-21.

Hodgson, G. M. (2007): Evolutionary and institutional economics as the new mainstream? Evolutionary and Institutional Economics Review 4: 7-25.

Bildungsmonitor 2011: Die Ökonomisierung der Bildung – und was ist mit der Pädagogisierung der Wirtschaft?

Der Bildungsmonitor 2011 (KurzberichtVollständiger Studienbericht) hat den Untertitel “Fortschritte auf dem Weg zu mehr Wachstum und Bildungsgerechtigkeit” und wird vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) herausgegeben. Der Bildungsmonitor 2011 nimmt “eine ökonomische Perspektive von Bildung ein” (S. 3 der Kurzfassung). Die vielfältigen Medienreaktionen (Presse, Funk, Fernsehen usw.) zeigen, dass diese Perspektive gerne angenommen und verbreitet wird.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Zunächst kann man die Frage stellen, ob mehr Wachstum (mit der damit einhergehenden Verschwendung) oder eher Nachhaltigkeit das gesellschaftliche Ziel sein sollte. Eine Verlagerung würde auch die Perspektive auf Bildung verändern. Darüber hinaus kommt es in der Wirtschaft auch gleichzeitig zu einer Pädagogisierung der Wirtschaft: Lernende Organisation, Wissensmanagement, Kompetenzmanagement usw. Wie würde ein Bildungsmonitor aussehen, der sowohl von der Ökonomisierung der Bildung als auch von der Pädagogisierung der Wirtschaft ausgeht (Konvergenzthese)?

Brauchen wir institutionelle Innovationen um unsere Wirtschaftsweise zu transformieren?

“Um unsere Wirtschaftsweise zu transformieren brauchen wir institutionelle Innovationen” (Maja Göpel, Direktorin für Zukunftsgerechtigkeit beim World Future Council In: Die Zeit vom 22.06.2011, S. 35). Zunächst habe ich diesem Satz zugestimmt, doch er unterstellt, dass die Institutionen Einfluss nehmen können auf die Art und Weise, wie wir wirtschaften. Dieser Ordnungsgedanke von Institutionen entstammt einem System der Grenzziehung zwischen Staat und Wirtschaft, Arbeiten und Freizeit, Nationalstaat und “Rest der Welt” usw. Solche Dichotomien sind in einer entgrenzten Welt nicht mehr zeitgemäß. Die Änderungsgeschwindigkeit (Lerngeschwindigkeit?) der Institutionen mit ihrem Beharrungsvermögen und veralteten Deutungsmustern steht dabei auch sozialen Veränderungen (Sozialen Innovationen) im Wege, wodurch es zu “Friktionen” in allen Lebensbereichen kommt (Rechtssystem, Bildungssystem, Wirtschaftssystem, Bankensystem…). Aktuell hechelt die Politik mit ihren schwerfälligen Institutionen der Realität hinterher. Die Menschen wenden sich von dieser traditionellen Politik ab und organisieren sich selbst – über Grenzen hinweg. Diese Selbstorganisation basiert auf der Vernetzung Einzelner und kann dazu führen, unsere Wirtschaftsweise zu verändern. Beispiele sind schon in vielen Bereichen zu finden: Open Source, Open Innovation oder auch Open Democracy. Eine Veränderung der Wirtschftsweise durch Bottom-Up-Initiativen kann also eine Alternative sein. In vielen nordafrikanischen Staaten sieht man schon, wie sich die Bürger eines Landes vernetzen und die etablierten Institutionen zu Veränderungen bewegen.Doch: Afrika ist ja weit weg, oder?

Heuser, U. J. (2008): Humanomics

humanomics.jpgDas gerade erschienene Buch Heuser, J. U. (2008): Humanomics hat den Untertitel “Die Entdeckung des Menschen durch die Wirtschaft”. Der Autor hat schon 2002 in DIE ZEIT unter dem Titel Die Revolution hat begonnen über den Trend geschrieben. Man fragt sich natürlich: Was ist in 2008 so neu, dass man darüber auch noch ein Buch schreiben muss? Andere Autoren weisen schon lange auf diesen gesellschaftlichen (Beck) und wirtschaftlichen (Tapscot, Davis) Trend hin. Viel bemerkenswerter ist doch, dass es in der Zwischenzeit schon gestandene Strategien gibt, die den Trend nutzen. Ausgehend von dem Trend zur Individualisierung auf gesellschaftlicher (Beck) und wirtschaftlicher Ebene (Mass Customization, Open Innovation) gibt es neue Strategien und neue Bewertungssysteme (Wissensbilanz – Made in Germany), die diese neuen Entwicklungen abbilden. In DIE WELT vom 17.02.2008 findet man auf Seite 35 unter dem Titel “Das neue Menschenbild der Ökonomen” einen Hinweis auf das Buch von Uwe Jean Heuser: “Er stellt dar, was der Wandel für Mensch und Staat bedeutet. Zwar kann er nur erste Ansätze aufzeigen. Allerdings ist dies dem Umstand geschuldet, dass die Forschung selbst noch in den Kinderschuhen steckt”. Wie weiter oben von mir beschrieben, steckt die Forschung zu dem Thema nicht in der Kinderschuhen. Was fehlt, sind Autoren und Redakteure, die auf dem aktuellen Stand der Forschung sind – oder sich besser informieren.

Innovationsindikator 2007: Kaum Verbesserungen festzustellen

hautnahTechnik1.jpgAuf der Website Innovationsindikator Deutschland findet man den ausführlichen Innovationsindikator 2007 (4,4 MB, pdf): “Der Innovationsindikator Deutschland bewertet die Innovationsfähigkeit nicht nur auf Basis harter Daten und Fakten, sondern auch als ökonomisches, technisches und gesellschaftliches Phänomen.” Im Vergleich zum Innovationsindikator 2006 sind die Beurteilungen in vielen Bereichen schlechter geworden – trotz aller Ermahnungen von Politik und Wirtschaft. Ein wesentliches Kriterium von Innovation ist eben die Umsetzung. Frei nach Goethe: Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch wollen. Es ist nicht genug zu können, man muss auch tun.

Wissensmanagement-Quiz: Probieren Sie es doch einmal aus

wm-quiz.jpgAuf der Website Softwarepaket.de für Gründer und junge Unternehmen (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gibt es ein Wissensmanagement-Quiz. Es ist zwar recht einfach, aber wer sagt denn, dass es nicht auch Spaß machen kann, sich mit Wissensmanagement zu befassen. Probieren Sie es doch einfach einmal aus. Möglicherweise kommen Sie ja auf den Geschmack: Mein Blog zu Wissensmanagement.

Wirtschaft wünscht sich vom Bildungssystem einen besseren Umgang mit “Humankapital”

Unterricht2007.jpgIn der WELT AM SONNTAG erklärt Eiko Jürgens (Professor für Theorie der Schule an der Universität Bielefeld) unter der Überschrift “Länger gemeinsam lernen”, warum die Initative für die Überwindung des gegliederten Schulwesens heute nicht von linken Ideologen, sondern aus der Wirtschaft kommt. Eiko Jürgens bezieht sich unter anderem auf Pestalozzis Maxime, die da lautet: “Vergleiche nie ein Kind mit einem anderen. Respekt vor der Vielfalt und Verschiedenartigkeit als Herausforderung und Chance für einen guten Unterricht (…)”. Weiter ist zu lesen: “Die Wirtschaft (…) fragt nach gut ausgebildeten Nachwuchs und nach den Ressourcen, die das derzeitige Schulsystem unnütz verpulvert, etwa durch die Verschleuderung von wertvollem ´Humankapital´.” Diese Anmerkungen werfen natürlich die Frage auf, wie ein Schulsystem aussehen sollte, das diesen Anforderungen entspricht. Der Autor empfiehlt, die Dreigliederung des Schulsystems zu überwinden, um länger gemeinsam zu lernen. Es muss also etwas wirklich Neues sein. “Weder eine Kopie irgendeines ausländischen Systems noch eine Neuauflage des alten Gesamtschulkonzepts”. Konkreter wird Eiko Jürgens allerdings nicht mehr.

Laborant2016.jpgIch empfehle (wie Sie als Leser meines Blogs ja wissen), die Multiple Intelligenzen Theorie zu nutzen, um das Schulsystem, aber auch Lernende Organisationen besser auf die Bedürfnisse einer eher wissensbasierten Gesellschaft auszurichten. Wie die Multiple Intelligenzen Theorie mit dem Intellektuellen Kapital (Humankapital, Beziehungskapital und Strukturkapital zusammenhägt, haben Martin und Andriessen aufgezeigt. Es ist an uns, es nun umzusetzen. Siehe dazu z.B. auch folgende Beiträge:

  1. Multiple Intelligenzen und …
  2. Martin, J. (2006): Multiple Intelligences, knowledge identification and trust
  3. Andriessen, D. (2005): On the metaphorical on intellectual capital: A textual analysis
  4. Wie kann man die Multiple Intelligenzen Theorie im Unternehmen nutzen?

Das Projekt THESEUS

theseus.jpgTHESEUS ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) initiiertes Forschungsprogramm mit dem Ziel, eine neue internetbasierte Wissensinfrastruktur zu entwickeln, um das Wissen im Internet besser zu nutzen und zu verwerten. Unter dem Dach von THESEUS sollen hierzu anwendungs­orientierte Basistechnologien und technische Standards erarbeitet und erprobt werden. Als Ergebnisse werden neuartige Produkte, Tools, Dienste und Geschäfts­modelle für das World Wide Web sowie die Dienstleistungs- und Wissens­gesellschaft von morgen erwartet.” Das Projekt hat eine Laufzeit bis 2012 und ein Budget von immerhin 180 Millionen Euro (90 Millionen Euro trägt das Wirtschaftsministerium und 90 Millionen das hochkarätig besetzte Konsortium). Die Premiere im August in Köln (Blogbeitrag) war wohl nicht so toll. Mal sehen, was noch so kommt …

Wilkesmann, U.; Würmseer, G. (2007): Wissensmanagement an Universitäten

universitaet.jpgUwe Wilkesmann und Grit Würmseer stellen in dem Diskussionspapier Wissensmanagement an Universitäten dar, dass Wissensmanagement für Universitäten sinnvoll eingesetzt werden kann – allerdings unter Beachtung der Besonderheiten von Universitäten im Vergleich zu Organisationen in der Wirtschaft. Diesen Hinweis hätte es aus meiner Sicht nicht bedurft, da ein Wissensmanagement-Konzept immer sehr spezifisch ist (kontextabhängig). Weiterhin gehen die Autoren nur auf das Wissensmanagement-Modell von Probst et al. ein. Andere Modelle wie das EU-Modell, das SEKI-Modell, das Fraunhofer-Modell oder die Überlegungen von Reinmann-Rothmeier werden nicht thematisiert. Erfreulich ist, dass die Autoren auch auf die Möglichkeit der Wissensbilanzierung hinweisen. Leider fehlt auch hier eine wichtige Information: Der direkte Verweis auf die Wissensbilanz – Made in Germany. Österreichische Universitäten sind schon länger per Gesetz dazu verpflichtet, eine Wissensbilanz zu erstellen (Siehe dazu auch diesen Blogbeitrag). Es fehlt nicht an den Instrumenten, sondern an handelnden Personen/Organisationen. Aber irgendwann wird sich das Thema auch in Deutschland noch entwickeln…, möglicherweise auch bei den mehr als 20.000 Bildungsanbietern.