Anmerkungen zum Grazer Innovationsmodell

Innovationen sind in der heutigen Zeit wichtiger denn je, doch hat sich das Management von Innovation (wie auch andere Managementansätze) erheblich verändert. Die Veröffentlichung Lercher, H. (2019): Big Picture Das Grazer Innovationsmodell (Big Picture the Innovation Model) (als PDF verfügbar) stellt ein recht umfangreiches Bild (Big Picture) eines Modells dar, an dem sich gerade mittelständische Unternehmen sehr gut orientieren können.

Ich möchte an dieser Stelle allerdings auch weitere Anregungen zum Thema geben:

Nachhaltiger Wettbewerbsvorteil: Ausgangspunkt ist die Definition (S. 21) „Innovationen sind erfolgreich in nachhaltige Wettbewerbsvorteile oder Umsätze umgewandelte Ideen“, die ohne Quellenangabe ist und schon einige Fragen aufwirft: Was bedeutet erfolgreich?  Wann kann der nachhaltige Wettbewerbsvorteil nachgewiesen werden? 

Wirkungsnetz: Ein Big Picture reduziert zunächst die immanente Komplexität des Innovationssystems und hilft gerade mittelständischen Unternehmen Handlungsoptionen abzuleiten. Meines Erachtens wäre es besser, ein Wirkungsnetz mit verschiedenen Einflussfaktoren unternehmensspezifisch zu erarbeiten, und Generatoren für das Management dieses Systems abzuleiten. Solche Verfahren gibt es auch schon für andere komplexe Managementsysteme. 

Open Innovation: Weiterhin kommt das Thema “Open Innovation” etwas zu kurz. Hier verweist der Autor nur auf die Interpretation von Chesbrough, der den Fokus auf der Öffnung des Innovationsprozesses von Unternehmen/Organisationen sieht. Die Perspektive “Open Innovation” eher Bottom-Up zu interpretieren, kommt nicht vor. Solche Gedanken hat Eric von Hippel in seinen Veröffentlichungen sehr ausführlich – auch in der Umsetzung zusammen mit Unternehmen – dargestellt (Siehe dazu auch diesen Blogbeitrag).

KI und Innovation: Nicht zuletzt müssen wir heute auch neue technologische Entwicklungen mit einbeziehen, wenn wir über den Umgang mit Innovationen sprechen. In meiner Special Keynote auf der MCPC 2015 in Montréal habe ich mich mit diesen Möglichkeiten auseinandergesetzt.

Siehe dazu Freund, R. (2016): Cognitive Computing and Managing Complexity in Open Innovation Model. Bellemare, J., Carrier, S., Piller, F. T. (Eds.): Managing Complexity. Proceedings of the 8th World Conference on Mass Customization, Personalization, and Co-Creation (MCPC 2015), Montreal, Canada, October 20th-22th, 2015, pp. 249-262 | Springer.

The World Competitiveness Report 2018

Nun ist er da, der World Competitiveness Report 2018, herausgegeben von Klaus Schwab. World Economic Forum. Überschwängliche Reaktionen darauf lassen nicht lange auf sich warten. Der Spiegel titelt beispielsweise Deutschland ist Innovationsweltmeister (SPON vom 17.10.2018) undf feiert die genannten Patentanmeldungen. Nur: Patentanmeldungen sind keine Innovationen. Diese Vermischung von Vorstufen von Innovationen und Innovationen ist bei Redakteuren oft zu finden. Die Anzahl der Patente ist eher ein Indiz des Industriezeitalters, wobei die Definition von Innovation sich oftmals an dem Oslo Manual aus dem Jahr 2005 orientiert. In dynamischen Märkten entwickeln sich Innovationen Bottiom-Up – siehe dazu ausführlich Eric von Hippel (2016): Free Innovation –  wobei diese Innovationen dann gar nicht in den Statistiken auftauchen. 

GTAI (2018): “Made in Germany” auf dem Prüfstand

 

 

 

 

 

 

 

In der Veröffentlichung der Germany Trade And Invest GTAI (2018): “Made in Germany” auf dem Prüfstand (PDF) wird deutlich, dass “Made in Germany” Kratzer abbekommen hat. Das einstige Negativ-Lable aus dem 19. Jahrhundert wurde nach dem 2. Weltkrieg zum Synonym des Aufstiegs der (westdeutschen) Wirtschaftsleistung. Die Veröffentlichung der GTAI zeigt je nach Land ein differenziertes Bild. Insgesamt ist durch die verschiedenen Skandale bisher kein irreparabler Schaden entstanden. 

Digitale Kompetenzen oder besser Kompetenzen in einem digitalen Umfeld?

In unserem Blog haben wird schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Kompetenzen – nicht nur Qualifikationen – für die Bewältigung komplexer Problemlösungen wichtiger sind (Blogbeitrag). Da die Digitalisierung ein Treiber der Komplexität ist, wird daher oftmals von digitalen Kompetenzen gesprochen. Die Arbeitsdefinition dafür ist beispielhaft:

Digitale Kompetenzen sind (neue) Fähigkeiten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzen, digitale Technologien anzuwenden, im Rahmen ihres Aufgabenprofils zu nutzen und darüber hinaus die digitale Transformation von Geschäftsprozessen mit voranzutreiben. Es lassen sich drei Dimensionen unterscheiden: Neben fachlich-technischen und Businesskompetenzen spielt die digitale Fitness eine wesentliche Rolle. Letztere speist sich aus Offenheit, Interesse und Veränderungsantrieb gegenüber digitalen Möglichkeiten DGFP-PRAXISPAPIERE (2016). KOMPETENZEN IM DIGITALISIERTEN UNTERNEHMEN, Seite 10.)

Diese digitalen Kompetenzen werden anschließend noch in drei Bereiche aufgeschlüsselt: Es geht um digitale Fachkompetenzen, Businesskompetenzen und um digitale Fitness, die sich auch wieder aufteilen. Es entsteht hier der Eindruck einer Schubladenhaftigkeit von (fast) beliebig vielen Kompetenzdimensionen. Diese Bindestrich-Kompetenzen sind vielen Forschern schon seit vielen Jahren ein Dorn im Auge (Veith 2003:35). Wird Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition (Erpenbeck) aufgefasst, benötigt es keine weiteren kleinteiligen Klassifizierungen, da diese in verschiedenen komplexen Problemlösesituationen hilfreich ist. Die Bewältigung von komplexen Arbeitssituationen durch selbstorganisiertes Handeln geschieht dabei selbstverständlich auch in durch die Digitatisierung geprägten Arbeitssituationen (Kontexten, Domänen). Dennoch würde ich nicht von digitalen Kompetenzen, sondern eher von Kompetenzen in einem digitalen Umfeld sprechen. Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk. 

Innovationen: Alleine oder mit anderen?

Natürlich ist die Überschrift etwas einseitig formuliert, denn es gibt zwischen den beiden Polen noch viele Möglichkeiten, Innovationen zu entwickeln. Dennoch möchte ich der Frage nachgehen, ob es für manche Innovationsprojekte möglicherweise sinnvoller ist, alleine vorzugehen. Dazu habe ich etwas bei Eric von Hippel gefunden, der “Single Innovation vs. Collaborative Innovation” insgesamt sechs Studien aus UK, US, Japan, Finnland, Kanada und Süd-Korea untersucht hat:

Collaborative development can produce major cost savings for participants in larger projects, where substantial costs are being shared. For relatively small projects, however, such as the
typical household sector projects documented here, it can be more efficient to innovate alone, and in that way avoid the costs of coordinating development work with others (von Hippel (2017:28).

Die Ergebnisse sind schon erstaunlich, denn es hat sich gezeigt, dass nur 10 % (UK) bis maximal 28% (Süd-Korea) der Innovationen kollaborativ entstanden sind. Der offensichtliche Trend, Innovationen grundsätzlich stärker kollaborativ anzugehen, ist demnach nicht immer sinnvoll. Die Stärkung des individuellen Innovationspotenzials (Kompetenzen) sollte demnach im Fokus stehen, wenn es darum geht, Innovation zu entgrenzen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Unternehmen diesen Weg überhaupt wollen, denn der Trend geht aktuell eher in Richtung Open Innovation von Chesbrough. Bei diesem Ansatz steht ein Business Model im Mittelpunkt, also nicht so sehr der Einzelne (Blogbeitrag). Nicht umsonst heißt ja das Buch von Eric von Hippel “Free Innovation”.  Solche Zusammenhänge besprechen wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen. Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Fraunhofer Innovationsforschung: 5 Thesen zu Innovationen in 2030

Der Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung hat insgesamt 5 Thesen formuliert, die charakteristisch für Innovationen in 2030 sein werden:

These 1: 2030 sind Offenheit, Lernfähigkeit und Kooperation die Leitbilder von Innovation.

These 2: 2030 sind integrierte Lösungen im Mittelpunkt des Innovationsgeschehens.

These 3: 2030 sind Innovationsprozesse durchgängig digitalisiert.

These 4: 2030 steht Wissen allen offen – es kommt darauf an, es nutzbringend anzuwenden.

These 5: 2030 verfügt Europa mit Blick auf Datensicherheit und -souveränität über ein Alleinstellungsmerkmal im globalen Wettbewerb.

Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung (Hg.) (2018): Wandel verstehen, Zukunft gestalten. Impulse für die Zukunft der Innovation. Stuttgart: Fraunhofer Verlag. Online verfügbar
unter http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-491577.html

Solche Themen besprechen wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager/in (IHK). Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.