Qualifikation und Kompetenz: Gegenüberstellung anhand einer aktuellen DGB-Analyse

Die Analyse des DGB Adamy, W. (2011): 1,4 Mio. Beschäftigte haben bereits in 2011 Job verloren bezieht sich in ihrer Argumentation auf das Konstrukt “Qualifikation”. Es wimmelt in dem 9-seitigen Artikel nur so von entsprechenden Begriffen wie “Geringqualifizierte”, “qualifizierten Arbeitskräften”, usw. Der Begriff “Kompetenz” kommt allerdings überhaupt nicht vor – wie kommt das?  Es verwundert zunächst nicht, wenn auf Seite 2 zu lesen ist, dass eine akademische Ausbildung nicht generell vor Arbeitslosigkeit schützt, denn die entsprechende Qualifikation muss im modernen Arbeitsleben mit weitergehenden Kompetenzen einer Person einhergehen. Es ist schon überraschend zu sehen, wie manche Diskussionen am Kern der Fragestellungen vorbeigehen (Siehe dazu z.B. Die Rückkehr des Subjekts in die betriebliche Organisation der Arbeit):

„Kompetenzen beziehen sich dabei auf die innerpsychologischen Voraussetzungen, die sich in der Qualität der sichtbaren Handlungen niederschlagen und diese regulieren und somit als Merkmale der Persönlichkeit aufscheinen. Im Zentrum dieses Kompetenzverständnisses steht somit das Individuum, mit all seinen Interessen und Bedürfnissen und nicht eine rechtsförmig bescheinigte Fertigkeit, im Sinne einer Qualifikation. Kompetenzentwicklung wird dabei als ein Prozess verstanden, ´in dem die fachliche, methodische und soziale Handlungsfähigkeit sowie die Selbstorganisationsfähigkeit (bzw. Teile dieser Facetten) erweitert, umstrukturiert und aktualisiert wird´” (Erpenbeck/Sauter 2000:294).

In dieser ersten Gegenüberstellung zeigt sich auch der individual-dispositive Charakter des Kompetenzbegriffs, der aktuell (leider noch) von der eher normativen Herangehensweise überlagert wird. Siehe dazu auch Kernkompetenzen als Emergenzphänomene.

Kernkompetenzen als Emergenzphänomene

Portraits17.jpgIn der Kompetenzdebatte wird immer wieder von den Kernkompetenzen einer Organisation gesprochen. Gerade gestern habe ich dieses Thema wieder in Verbindung mit dem Verkauf der IKB Bank gehört. Der neue Käufer (Lone Star) stellte in einer Presseerklärung heraus, dass man sich auf die Kernkompetenz der IKB (Mittelstandskredite) konzentrieren will. Ich habe mich gefragt, woher diese Kernkompetenz denn kommt. Sie ist einerseits wohl eine Zuschreibung vom Markt und den Kunden, andererseits entsteht (entwickelt sich) diese Kernkompetenz. Meinhardt (2007:312) stellt dazu fest: “Die Realisierung individueller Kompetenzen im Handlungsvollzug ist die Grundlage für die Entwicklung (Emergenz), Aufrechterhaltung und ständige Weiterentwicklung von unternehmerischen Kernkompetenzen.” Dabei stellt der Autor auch die Problematik der Übergänge von der Mikro- zur Makroebene und umgekeht dar. Geht man von der Emergenz der Kernkompetenzen aus, so “heißt das, von einer neuen Qualität zu sprechen” (Meinhardt 2007:309). Spannend sind diese Perspektiven deshalb, weil es für Führungskräfte gleich die Frage des Umgangs mit solchen Phänomenen aufwirft: Wie managt man so verstandene Kernkompetenzen? Ist das überhaupt möglich? Siehe dazu auch Können Kompetenzen eines Unternehmens statisch und dynamisch sein?

Hofmann, J. (2008): Wie intellektuelles Kapital Werte schafft

Zeitung7.jpgDer Artikel Hofmann, J. (2008): Wie intellektuelles Kapital Werte schafft ist am 18.06.2008 bei Deutsche Bank Research erschienen: “Unternehmen müssen systematischer mit ihrem intellektuellen Kapital umgehen. Vermögenswerte wie Qualifikationen, Innovationskraft und Kundenbeziehungen sind heute ihre wichtigsten Wettbewerbsvorteile. Wissensbilanzen können helfen, dieses intellektuelle Kapital strukturiert zu erfassen – und strategisch zu steuern. Das leistet aber nicht jede Art von Wissensbilanz. Wir geben eine pragmatische Orientierung in dem breiten Spektrum vorhandener Ansätze.” Dabei wird auch auf die wichtige Rolle der Kernkompetenzen der Organisation verwiesen. Wirklich lesenswerter Artikel.

Bullinger, H.-J. (2007): Konzentration auf Kernkompetenzen

Bogenschiessen.jpgProf. Bullinger, Chef des Fraunhofer Instituts, hat in dem Editorial Konzentration auf die Kernkompetenzen (Fraunhofer Magazin 3.2007) darauf verwiesen, dass sich unsere Unternehmen auf ihre Stärken konzentrieren sollen. “Diese liegen in unseren Kernkompetenzen: der Fokussierung auf qualitativ hochwertige Produkte, der Kundenorientierung sowie der Leistungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit unser mittelständisch geprägten Wirtschaft. Dabei wird häufig Kerngeschäft mit Kernkompetenz verwechselt. Märkte verändern sich und manchmal verschwinden ganze Geschäftsfelder. (…) Wenn sich ein Unternehmen aber auf seine Kernkompetrenz konzentriert, beispielsweise Licht in Wohnungen und Büros zu bringen, dann ist es in der Lage, sich Veränderungen der Märkte rasch und flexibel anzupassen.” Lesen Sie bitte dazu auch den Blogbeitrag Können Kompetenzen eines Unternehmens statisch und dynamisch sein?