Es ist schon erstaunlich, wenn ein Fernsehsender eine Sendung über Komplexität ausstrahlt. Am 24.07.2008 habe ich mir die Sendung Komplexe Welt auf 3sat angesehen. Es wurde deutlich, was heute unter Komplexität zu verstehen ist und wie sich diese Erkenntnis in den verschiedenen Bereichen Klima, Gehirn, Medizin, Ökonomie und Physik auswirkt: “Nach der Chaostheorie ist das Leitthema der Wissenschaften nun die Komplexitätsforschung. Dahinter steht nach Meinung vieler Wissenschaftler ein massives Umdenken, eine Revolution, die von den harten Naturwissenschaften wie Physik über die Biologie bis hin zur Gesellschaft, zur Philosophie und Religion reicht. Denn überall sind komplexe, also dynamische und anpassungsfähige, sich entwickelnde Systeme am Werk. Auch bei den Mechanismen der Zelle und in Materie und Energie.” Zu der Sendung stehen viele Videos und Audiofiles zur Verfügung. Es ist sehr erfreulich, dass sich 3sat mit dem Thema Komplexität so intensiv befasst hat. Möglicherweise haben diese Sendung ja auch einige Politiker gesehen und erkannt, dass nicht alles auf einfache Ursache-Wirkung-Beziehungen zurückzuführen ist… In komplexen Systemen kommt der Selbstorganisation eine wichtige Rolle zu. Siehe dazu auch Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition oder auch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten.
Wissen im Web: Themenheft UNESCO heute 01/2008
Das Themenheft Wissen im Web (UNESCO heute 01/2008) enthält viele interessante Beiträge. Besonders hervorheben möchte ich den Artikel Gabi Reinmann: Wissen und Information im Zeitalter des Internets. Abstract: “Die Informationsflut im Internet steigt unaufhörlich. Aber steigt damit auch die Menge und Qualität des Wissens der Internetnutzer? Was ist der Unterschied zwischen Information und Wissen, zwischen öffentlichem und personalem Wissen? Der folgende Artikel klärt die Begrifflichkeiten und fragt, inwieweit Wissen über das Internet vermittelt werden kann.”
Open-I: 1.3 Mio. EUR für ein Projekt zu Open Innovation
Aus der Pressemitteilung zu Open-I : “Open Innovation hat das Potential die Innovationsfähigkeit von Unternehmen radikal zu steigern. Wie Unternehmen konkret vorgehen können, welche Herausforderungen dabei zu meistern und welche Hindernisse zu berücksichtigen sind, erkunden Forscher der Handelshochschule Leipzig (HHL), der Universität Erlangen-Nürnberg und der Technischen Universität München im interdisziplinären Verbundprojekt “Open-I“. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie dem Europäischen Sozialfonds wurden hierfür jetzt rund 1,3 Mio. EUR bewilligt.” Es freut mich sehr, dass die Forschungen zu Open Innovation intensiv gefördert werden. Möglicherweise merken auch bald Unternehmen, dass sie von Open Innovation profitieren können…
Knol – units of knowledge: Das neue Angebot von Google
Es ist schon beeindruckend, wie Google die verschiedenen Felder besetzt. Mit Knol bietet Google nun eine (englischsprachige) Plattform an, auf der Autoren Beiträge einstellen können: “The Knol project is a site that hosts many knols — units of knowledge — written about various subjects. The authors of the knols can take credit for their writing, provide credentials, and elicit peer reviews and comments. Users can provide feedback, comments, related information. So the Knol project is a platform for sharing information, with multiple cues that help you evaluate the quality and veracity of information.” Im Gegensatz zu wikipedia zielt Knol gerade darauf ab, die eingestellten Informationen mit dem Autor zu verknüpfen. In dem Artikel Ein Wikipedia-Killer? (Süddeutsche Zeitung vom 24.07.2008) findet man folges Zitat aus dem entsprechenden Google-Blog: “Wir glauben, dass man Web-Inhalte besser nutzen kann, wenn man weiß, wer was geschrieben hat.” Da ist etwas dran… Mal sehen, wie das neue Angebot auf dem Markt angenommen wird.
EFFAS-CIC: Finanzanalysten befassen sich intensiver mit Intellektuellem Kapital
EFFAS ist der europäische Verband der Finanzanalysten mit über 14.000 Mitglieder. Eine Sektion, die EFFAS-CIC, befasst sich intensiv mit den Entwicklungen beim Intellectual Capital Reporting. In Deutschland ist es die Wissensbilanz – Made in Germany (Intellectual Capital Statement – Made in Germany), die die Anforderungen auch der Finanzbranche erfüllen will. Die durchgeführte Finanzmarktstudie zeigt auf, welche Anforderungen Finanzanalysten an eine aussagefähige Wissensbilanz – Made in Germany stellen. In den Prinzipien für die effektive Kommunikation intellektuellen Kapitals hat die EFFAS-CIC 10 Punkte zusammengefasst. Es ist für die Aktzeptanz der Wissensbilanz – Made in Germany sicherlich wichtig, dass die Finanzbranche diesen Standard akzeptiert und in die Beurteilung von Organisationen einfließen lässt. Darüber hinaus darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Wissensbilanz – Made in Germany auch für die interne Kommunikation eine wichtige Rolle spielt, wenn es um die geeigneten Wissensmanagement-Aktivitäten und deren Evaluation geht.
InCaS: Unternehmen aus Osteuropa orientieren sich an der Wissensbilanz – Made in Germany
Auf das InCaS-Projekt (Intellectual Capital Statement for Europe habe ich schon am 02. November 2007 hingewiesen (Blogbeitrag). Diesmal möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf Intellectual Capital Statements richten, die Unternehmen aus Osteuropa erstellt haben. Die auf der InCas-Website genannten Unternehmen orientieren sich dabei offensichtlich an der Wissensbilanz – Made in Germany. Polnische Unternehmen und slowenische Unternehmen stellen die Ergebnisse in der jeweiligen Landessprache dar. Sie dazu z.B. das Intellectaul Capital Statement von Nexbau aus Polen (1MB, pdf). Auf der Seite 4 finden Sie eine Grafik, die exakt dem Modell der Wissensbilanz – Made in Germany entspricht.
Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen
Das Buch Mitchell, S. (2008): Komplexitäten. Warum wir erst anfangen, die Welt zu verstehen beschreibt sehr schön, welche Themen in der Diskussion um Komplexität aktuell sind. Dabei vertritt sie folgende These (S. 22): “Komplexität, ob in der Biologie oder anderswo, liegt nicht außerhalb unserer Verständnisfähigkeit, sondern sie erfordert eine neue Art von Verständnis. Dieses setzt voraus, daß man genauer analysiert, in welch vielfältiger Form der Kontext die Naturphänomene mitgestaltet.” Es freut mich dabei natürlich, dass Sandra Mitchell ausdrücklich auf die wichtige Rolle von Kontext eingeht. Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, weise ich darauf auch immer wieder im Rahmen der Kompetenzdebatte hin (Promotionsskizze). Nicht zuletzt zeigt die Autorin auch, dass komplexe Systeme und deren emergente Eigenschaften mit Hilfe von Selbstorganisation und Rückkopplungsschleifen erklärbar sind (S. 53). Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen. Siehe dazu auch die Rezension von Andreas Franke vom 19.06.2008.
Kennen Sie Protégé?
Open-Source tools sind im Wissensmanagement immer stärker nachgefragt. Eine leistungsfähige und stark genutzte Plattform ist Protégé, eine Entwicklung der Stanford University: “Protégé is a free, open-source platform that provides a growing user community with a suite of tools to construct domain models and knowledge-based applications with ontologies. At its core, Protégé implements a rich set of knowledge-modeling structures and actions that support the creation, visualization, and manipulation of ontologies in various representation formats. Protégé can be customized to provide domain-friendly support for creating knowledge models and entering data. Further, Protégé can be extended by way of a plug-in architecture and a Java-based Application Programming Interface (API) for building knowledge-based tools and applications.” Die Anzahl der User (über 100.000), die Referenzliste und auch die positiven Erfahrungen von Kollegen zeigen, dass es sich bei Protégé um ein interessantes Tool handelt.
SizeGermany: Braucht man diese Messungen?
Auf der Website von SizeGermany ist folgendes zu lesen: “SizeGERMANY ist die erste Reihenmessung in Deutschland, die mit modernster Bodyscanning-Technologie einen repräsentativen Querschnitt der gesamten Bevölkerung vermisst. In wenigen Minuten werden so über 70 verschiedene Körpermaße abgenommen – bisher waren es selten mehr als 25 verschiedene Maße.” Immerhin sind es 12.000 Personen, die in ganz Deutschland vermessen wurden. Ende des Jahres, bzw. Anfang 2009 sollen die Ergebnisse veröffentlicht werden. Marina Anselm geht in ihrem Artikel Auf der Suche nach der wahren Größe (DIE WELT, 17.07.2008) auch auf SizeGermany ein und erwähnt, dass die Schuhhersteller in diesem Jahr 5.000 Menschen haben vermessen lassen. Durchgeführt wurde diese Aktion von dem Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens. Ziel dieser Aktionen ist es, die veralteten Tabellen für Standardgrößen zu aktualisieren. Immerhin “hat die Bekleidungsindustrie zwar 1994 eine Reihenmessung von Frauen durchführen lassen, doch die Männer wurden 1978 das letzte Mal vermessen” (Quelle: Auf der Suche nach der wahren Größe). Es ist verständlich, wenn Automobilhersteller an solchen Messungen interessiert sind, da die Entwicklungszeit für ein neues Auto zwischen 36 und 60 Monaten liegt. Dass die Bekleidungsindustrie solche Messungen immer wieder gerne in Auftrag gibt verwundert, wenn man weiss, dass es heute durchaus möglich ist, mit Hilfe von Lasercutter JEDES individuelle Maß in Kürze herzustellen. Diese Möglichkeiten werden unter anderem in dem EU-Projekt LEAPFROG untersucht: Mass Customization in der Bekleidungsindustrie. Einige Unternehmen wie TommyKlein nutzen die neuen Möglichkeiten auch schon. Um auf meine Frage in der Überschrift zu dem Blogbeitrag zurückzukommen: Man braucht diese Messungen heute nur noch in Ausnahmefällen. Besser ist es, wenn Unternehmen aus der Bekleidungsbranche die Potenziale von Mass Customization und auch Open Innovation nutzen, um die jährliche Verschwendung in Höhe von 300 Mrd. $ zu reduzieren. Diese enorme Summe kommt durch die Produktion von Standardteilen/-größen zustande, die dann nicht verkauft werden. Standardgrößen, die man mit Hilfe von Messungen wie SizeGermany herausfinden will… Siehe dazu auch
- Mass Customization and Personalization. Was versteht man darunter? >mehr
- LEAPFROG: Das EU-Projekt zu Mass Customization in der Bekleidungsindustrie >mehr
- TommyKlein – individual Tailoring: Ein Selbstversuch >mehr
- Mass Customization in der Bekleidungsindustrie von Korea >mehr
- Was haben die großen Füße der Südafrikanerinnen mit Mass Customization zu tun? >mehr
- Was hat der Ballenbreitengrad mit Mass Customization zu tun? >mehr
- Mass customized shoes: So wird es gemacht >mehr
- Schuhe für das 21. Jh.: Warum nicht gleich richtig? >mehr
- CATER: Mass Customization in der Autoindustrie – From “a” vehicle to “my” vehicle >mehr
- Mass Customization in der Autoindustrie >mehr
- Was hat Prokrustes mit Mass Customization zu tun? >mehr
Unsinn in Cicero 12/2007 zu Mass Customization
Die Berichte, in denen Unsinn über die hybride Wettbewerbsstrategie Mass Customization geschrieben wird, nehmen kein Ende. Ein weiteres Beispiel dieser unrühmlichen Artikel ist in Cicero Ausgabe 12/2007 unter dem Titel Die Me-Volution erschienen. Die Ausgabe hatte eine Auflage von 160.000, wobei jede Titelseite ein anderes Bild enthielt. Diese Individualisierung der Titelseite wird schon als Mass Customization bezeichnet. Dem Autor ist möglicherweise nicht bekannt, dass Individualisierung nur eine der vier Ebenen von Mass Customization ausmacht. Weiterhin liest man folgendes:” Der Zukunftsforscher Mathias Horx erkennt darin einen avangardistischen Geselschaftstrend.” Das schlägt dem Faß den Boden aus, denn schon 1971 hat Tofler in seinem Buch “Future Shock” über diese Möglichkeiten geschrieben. Den Begriff Mass Customization hat Davis dann 1987 geprägt und Pine hat mit seinem Buch 1993 der hybriden Wettbewerbsstratgie zum Durchbruch verholfen. Das kann man alles auf verschiedenen Webseiten/Weblogs im Netz nachlesen (Natürlich auch in meinem Blog und in meinen Konferenzbeiträgen). Es wäre schön, wenn die Redaktionen Beiträge auf ihre Qualität prüfen würden – das würde allerdings Recherchearbeit voraussetzen…
