Künstliche Intelligenz und Arbeitshandeln: Grenzen wissenschaftlich-technischer Beherrschung

Böhle et al. 2011:21; entnommen aus Huchler 2016:62

In dem Blogbeitrag Arbeitshandeln enthält explizites und implizites Wissen aus dem Jahr 2016, habe ich die Zusammenhänge zwischen Arbeitshandeln und dem expliziten “objektivierbaren” Wissen, bzw. impliziten subjektivierenden” Wissen dargestellt und erläutert.

Setzen wir doch einmal diese Zusammenhänge neu in Verbindung mit den Diskussionen darüber, ob Künstliche Intelligenz Arbeitsplätze, oder ganze Berufe ersetzen wird. Es wird dabei gleich deutlich, dass es in der Diskussion nicht darum geht, Arbeitsplätze oder Berufe durch Künstliche Intelligenz zu ersetzen, sondern darum, das Arbeitshandeln unter den neuen technologischen Möglichkeiten zu untersuchen.

Nach Böhle (2011) zeigen technische und organisatorische Komplexität Grenzen der wissenschaftlich-technischer Beherrschung auf, und zwar in Bezug auf Unwägbarkeiten im Arbeitshandeln.

Sind Unwägbarkeiten die Normalität, benötigt das Arbeitshandeln das Erfahrungswissen von Personen (Subjekte), im Sinne des erfahrungsgeleiteten-subjektivierenden Handelns (vgl. Böhle 2011).

Die Tech-Konzerne argumentieren mit ihren neuen und neuesten KI-Modellen, dass Technologie das gesamte Arbeitshandeln in diesem Sinne einmal abbilden kann. Diese Perspektiven sind möglicherweise für die schnelle Marktdurchdringung und für das Einsammeln von Kapital wichtig (Storytelling), doch greift dieser Ansatz bisher nur bei sehr begrenzten Tätigkeitsportfolios komplett.

Natürlich wird weiter argumentiert, dass sich die Technik weiterentwickelt und es nur eine Frage der Zeit ist, bis das komplette Arbeitshandeln technologisch abgebildet ist. Es ist durchaus zu erkennen, dass KI-Modelle durchaus in der Lage sind bestimmte Merkmale des subjektivierenden Arbeitshandeln abbilden kann. Daraus entstand auch der Glaube an eine Art Allgemeine Generelle Intelligenz (AGI), die der menschlichen Intelligenz überlegen sei.

Durch solche Ideen verschiebt sich der Nachweis für die aufgestellte These immer weiter in die Zukunft, und wird zu einem Glaubensbekenntnis. Möglicherweise handelt es sich bei dem geschilderten Denkmuster um eine Art Kategorienfehler?

Reflexive Modernisierung und “reflexives Wissen” als neue Wissensform

Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung zeigt, dass die Reflexive Modernisierung mit ihren Merkmalen eines nachhaltigen Kontingenzzuwachses, dem Problem der Nebenfolgen sozialen Handelns, und einer Krise der Rationalitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen zu veränderten Wissensformen führt. In den Beiträgen zum Google-Wissen und zu Kohärenz-Wissen hatte ich schon zwei der neuen Wissensformen erläutert. Hinzu kommt selbstverständlich das reflexive Wissen, was nun weiter erläutert werden soll.

“Das reflexive Wissen erwirbt man nicht für sich allein. Zwar kann man gerade über Wahrnehmungs- Erkenntnistheorie viel lesen und verstehen. Um jedoch mit diesen Einsichten selbst kompetent umgehen zu können, ist es hilfreich, zunächst in geschützten Lernräumen nach adäquaten Formen zu suchen. Wie geht man mit Wirklichkeit um, wenn sich uns diese bloß zu unseren eigenen – bevorzugten – Möglichkeiten zeigt? Sicherlich kann man sich „treu“ bleiben, sein Leben lang immer die gleichen Thesen wiederholen und die Einschätzungen der anderen als „widersinnig, unnötig, unkritisch„ (Pongratz 2014) bewerten und ausgrenzen. Die reflexive Kraft solcher Wiederholungen ist jedoch begrenzt, führt sie uns doch nicht zur Transformation eigener Denkmuster, sondern bloß zur Bestätigung des Bisherigen, ohne in einen „sokratischen Dialog“ einzutreten, dessen Sinn ja immer in der Selbstaufklärung liegt, nicht in der Rechthaberei” (Arnold 2017; Eigene Hervorhebungen).

Durch reflexives Wissen mit seiner enthaltenen Kritik können u.a. Routinen verlassen werden, sodass Neues entstehen kann (ebd.). Der von Arnold (2017) aufgezeigte Weg zu neuen Wissensformen ist erforderlich, da uns die etwas älteren Ansätze alleine nicht mehr weiterbringen.

Von Bridge zu Poker: Eine Akzentverschiebung die auch im Wirtschaftsleben zu erkennen ist

Bei Akerlof/Shiller (2009:69) findet man einen interessanten Hinweis darauf, dass der Trend zum Pokerspiel durchaus auch im Wirtschaftsleben seine Entsprechung hat: “Heute, anfangs des 21. Jahrhunderts, geht die Beliebtheit von Bridge immer weiter zurück. Nun gilt es als Spiel für ältere Leute; unter den Jungen hat es nur wenige Anhänger. Im Gegensatz dazu hat sich in den letzten Jahren das Pokerspiel, insbesondere in seiner modernen Variante namens Texas hold’em, sprunghaft verbreitet. Poker spielt jeder für sich allein, und entscheidend für den Erfolg ist das Geschick bei der Täuschung der Mitspieler, die gekonnte Zurschaustellung des ´Poker Face´. Und nicht zuletzt wird Poker im Allgemeinen um Geld gespielt. Selbstverständlich ist uns klar, dass möglicherweise gar keine Verbindung existiert zwischen dem, was an den Spieltischen einerseits und in der Wirtschaft andererseits passiert. Doch wenn in Kartenspielen, die von Millionen Menschen gespielt werden, Täuschung zum beherrschenden Moment wird, wäre es dann nicht naiv zu glauben, solche Akzentverschiebungen seien in der Geschäftswelt ausgeschlossen?” Ein interessanter Hinweis darauf, dass “(…) Wirtschaftskrisen in erster Linie von einem Wandel der Denkmuster verursacht werden” (ebd:21. Diese Zusammenhänge sind allerdings dem gängigen ökonomischen Denken fremd…