Soziokratie – Holokratie: Unterschiedliche Entscheidungsprozesse

Im agilen Umfeld fallen immer wieder die Begriffe Soziokratie und Holokratie, wenn es um das angemessene Organisationsmodell in einem turbulenten Umfeld (VUCA) geht. In diesem Beitrag geht es mir nicht um eine wissenschaftliche Gegenüberstellung, sondern eher darum, den Kernpunkt der jeweiligen Entscheidungsfindung herauszustellen. Auf dieser Website finden Sie zum ausführlichen Vergleich weitere Informationen. Der folgende Punkt scheint mir in der Diskussion wichtig zu sein.

“Wenn es im soziokratischen Organisationsmodell auf einer Mitarbeiterebene zu keiner Entscheidung kommt, wird diese auf die nächsthöhere Mitarbeiterebene verlegt. Es greifen dann die hierarchisch legitimierten Entscheidungsprinzipien. Bei der Holokratie hingegen muss die Entscheidung auf der Ebene eben jenes Mitarbeiterkreises getroffen werden. Es stößt zwar eine neue Person hinzu, um eine Entscheidung herbeizuführen, aber diese muss immer noch auf jener Mitarbeiterebene gefällt werden. Dies führt bei Problemen, die rasch gestemmt werden müssen, zu (zeitlichen) Verzögerungen – und das ist für die Erhöhung des Agilitätsfaktors kontraproduktiv.” (Lang/Scherber 2019:41).

Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang u.a. auf Stefan Kühl, der schon 1994 auf die Vorteile, aber auch auf die Schwierigkeiten von flachen Hierarchien hingewiesen hat. Gerade wenn wir uns den von Lang/Scherber herausgestellten Entscheidungsprozess ansehen wird deutlich, dass wohl das soziokratische Organisationsmodell für Unternehmen geeigneter erscheint.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager/in AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Agile, Rapid Agility, Holacracy – und was dann?

agileWer nicht mit den Begriffen Agil, Scrum, Kanban, Holacracy usw. um sich schmeißt, ist out. Um es vorweg zu sagen: Ich bin durchaus für Agilität in Organisationen und habe mich auch in den verschiedenen Themenfeldern informiert, weitergebildet (Agiles Projektmanagement 4.0) und umgesetzt. Darüber hinaus verstehe ich durchaus auch etwas von Selbstorganisation (Beiträge in diesem Blog). Beides ist allerdings zu einem Hype verschmolzen, der kaum noch einen klaren Blick auf das Thema zulässt. Dave Thomas (Einer der Verfasser des Agilen Manifests 2001) hat schon in 2004 geschrieben: Agile is Dead (Lovin Live Agility). Darin mahnt er alle Beteiligten, sich auf die Prinzipien von Agilität zu konzentrieren. Das ist durchaus berechtigt, denn auch Ayel Komus vermutet, dass sich der agile-Hype abschwächen wird (brand eins 06/16, S. 55). Ähnlich sieht es mit Holacracy aus:

Es ist beinahe eine Ironie des Schicksals, dass das große Vorbild von Zalando, der Schuh-Onlinehändler Zappos aus den USA, mit der Weiterentwicklung der agilen Prinzipien weitaus
weniger Erfolg hatte: Vor etwa zwei Jahren begann Zappos Chef Tony Hsieh schrittweise, eine Managementphilosophie namens ,,Holacracy” einzuführen. Diese verzichtet auf Hierarchien und setzt stattdessen auf Selbstorganisation. Doch laut US-Medienberichten gibt es immer weniger zu organisieren: Bis zu einem knappen Drittel der Mitarbeiter soll die Firma im vergangenen Jahr aufgrund der neuen Methoden verlassen haben (brand eins 06/16, S. 58)

Manchmal hat man sogar den Eindruck, dass es wichtiger ist Zertifizierungen zu verkaufen, als die agilen Prinzipien umzusetzen … Ich bin durchaus dafür, agile Methoden einzusetzen, denn sie haben große Vorteile, wenn es um komplexe Problemlösungen geht. Doch nimmt man die Forderung des Agilen Manifests ernst, und stellt den Menschen an erste Stelle, so muss dieser Mensch – sein Team, seine Organisation und sein Netzwerk – erst einmal dazu in der Lage sein, komplexe Probleme selbstorganisiert zu lösen. Diese Menschen müssen dazu die entsprechenden Kompetenzen (Selbstorganisationsdispositionen) entwickeln. Dieser Umstand wird viel zu wenig thematisiert. Es ist daher kein Wunder, dass die aktuelle Trendstudie 2016 der Universität St. Gallen zu folgendem Ergebnis kommt:

Agile Strukturen, demokratische Führung und virtuelle Teams sind Kennzeichen einer neuen Arbeitswelt, die vielfach auch mit „New Work“ oder „Arbeiten 4.0“ umschrieben. Doch vielen Unternehmen ist die Transformation in diese neue Welt noch nicht gelungen, wie eine Studie zeigt.