Künstliche Intelligenz – Menschliche Kompetenzen: Anmerkungen zu möglichen Kategorienfehler

Die aktuelle Diskussion um Künstliche Intelligenz wird einerseits technisch geführt, andererseits geht es dabei auch um Menschliche Kompetenzen. Alleine diese Gegenüberstellung von “Intelligenz” hier und “Kompetenz” dort wirft schon Fragen auf:

(1) Ist der Begriff “Künstliche Intelligenz” schon ein Kategorienfehler?

Zunächst soll es um den etablierten Begriff “Künstliche Intelligenz” gehen, der durchaus kritisch hinterfragt werden kann. Genau das hat Beispielsweise der Meister der Systemtheorie, Niklas Luhmann, getan:

“Der Soziologe Niklas Luhmann beschreibt dies treffend als Kategorienfehler (Luhmann & Schorr, 1982) – ein grundlegender Unterschied zwischen maschineller Informationsverarbeitung und menschlichen Qualitäten. Maschinen können zwar Daten präzise und schnell verarbeiten, doch echte Kreativität, Sinnverständnis und emotionale Reflexion bleiben ihnen verschlossen” (Ehlers 2025, in weiter bilden 1/2025).

Jetzt kann man natürlich anmerken, dass sich diese Argumentation auf die damaligen IT-Systeme bezog, die heutigen KI-Systeme allerdings doch anders sind. Diese Perspektive ist durchaus berechtigt, doch ist an der Argumentation Luhmanns immer noch etwas dran, wenn wir die heutigen KI-Systeme betrachten.

(2) Ist der Vergleich zwischen Künstlicher Intelligenz und Menschlicher Intelligenz etwa auch ein Kategorienfehler?

Interessant ist hier, dass es den Hinweis auf einen Kategorienfehler auch aus der Intelligenzforschung gibt. Siehe dazu ausführlicher OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler? Wenn wir also mit Intelligenz das meinen, was ein Intelligenztest misst, sieht es für den Menschen schon jetzt ziemlich schlecht aus.

Wenn wir allerdings Intelligenz entgrenzen und eher den Ansatz von Howard Gardner sehen, der von Multiplen Intelligenzen ausgeht, wird es schon etwas spannender, denn nach Howard Gardner ist Intelligenz u.a. ein biopsychologisches Potenzial:

„Ich verstehe eine Intelligenz als biopsychologisches Potenzial zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“ (Gardner  2002:46-47).

Insofern wäre dann der Vergliche zwischen Künstlicher Intelligenz und Multiplen Intelligenzen ein Kategorienfehler. Siehe dazu auch Künstliche Intelligenz – ein Kategorienfehler? Darin wird auch auf die sozialen und emotionalen Dimensionen bei Menschen hingewiesen.

(3) Ist der Vergleich zwischen Künstlicher Intelligenz und Menschlichen Kompetenzen ein Kategorienfehler?

Wenn wir Künstliche Intelligenz mit Menschlichen Kompetenzen vergleichen, vergleichen wir auch indirekt die beiden Konstrukte “Intelligenz” und “Kompetenz. In dem Beitrag Kompetenzen, Regeln, Intelligenz, Werte und Normen – Wie passt das alles zusammen? finden Sie dazu ausführlichere Anmerkungen.

Das AIComp-Kompetenzmodell, bei dem nicht die Abgrenzung zwischen den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz und den Menschlichen Kompetenzen steht, sondern die “produktive Kooperationskultur” (ebd.). Eine Kooperationskultur zwischen Intelligenz und Kompetenz?

Wenn das alles nicht schon verwirrend genug ist, schreiben mehrere Autoren in dem Gesamtzusammenhang auch noch von Menschlichen Qualitäten oder Skills (Future Skills). Letzteres unterstellt eine eher amerikanische Perspektive auf Kompetenzen.

“Frühere Kompetenzdefinitionen beziehen sich auf die im anglo-amerikanischen Raum gebräuchliche Unterscheidung individueller Leistunsgsdispositionen in Knowledge, Skills, Abilities and Other Characteristics (KSAO), wobei modernere Definitionen auch eher die Selbstorganisationsdisposition in den Vordergrund stellen” (Freund 2011).

Sollten wir daher lieber von Künstlichen Kompetenzen und Menschlichen Kompetenzen auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk sprechen, und diese dann vergleichen?

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenzen auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

AI City und Emotionale Intelligenz

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Auch bei dem Thema Smart City wird oft der Begriff “Intelligenz” verwendet. Dabei denkt man meistens an die noch vorherrschende Meinung, dass sich Intelligenz in einem Intelligenz-Quotienten (IQ), also in einer Zahl, darstellen lässt.

Die Entgrenzungstendenzen bei dem Thema Intelligenz in den letzten Jahrzehnten zeigen allerdings, dass der Intelligenz-Quotient gerade bei komplexen Problemlösungen nicht mehr ausreicht – somit keine Passung mehr zur Wirklichkeit hat. Begriffe wie “Soziale Intelligenz”, “Multiple Intelligenzen” oder auch “Emotionale Intelligenz” werden in diesem Zusammenhang genannt. Am Beispiel einer Smart City, oder später einer AI City, wird das wie folgt beschrieben:

For a smart city, having only “IQ” (intelligence quotient) is not enough; “EQ” (emotional quotient) is equally essential. Without either, the abundant data generated and accumulated in urban life may either remain dormant and isolated or be used solely for data management without truly serving the people. In the concept of an AI-driven city, emotional intelligence refers to utilizing technological means to better perceive the emotions of citizens in the era of the “Big Wisdom Cloud.” This involves actively expressing urban sentiment, self-driving and motivating the emotions of citizen communities, empathizing with the vulnerable in the city, and establishing a comprehensive sentiment feedback mechanism” (Wu 2025).

Es wird in Zukunft immer wichtiger werden, ein besseres Verständnis von Intelligenz zu entwickeln, das besser zu den heutigen Entwicklungen passt. Die angesprochene Entgrenzung des Konstrukts “Intelligenz” ist dabei ein Ansatz, die Perspektive auf Intelligenz als biopsychologisches Potential eine weitere:

„Ich verstehe eine Intelligenz als biopsychologisches Potenzial zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“ (Gardner 2002:46-47).

Diese Beschreibung von Intelligenz würde den Begriff “Künstliche Intelligenz” dann eher als Kategorienfehler bezeichnen. Siehe dazu auch OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler?

Versuch einer Einordnung: Menschliche Intelligenz, Hybride Intelligenz, Künstliche Intelligenz

Artificial Intelligence in relation to human intelligence (Hossein Jarrahi et al. 2022, https://doi.org/10.1177/20539517221142824

Der Begriff “Intelligenz” wird in der aktuellen Diskussion um Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) immer wichtiger. Dabei gibt es oft zwei Argumentations-Pole, die sich scheinbar unüberbrückbar gegenüberstehen:

Zunächst ist da der Standpunkt, dass Künstliche Intelligenz (Technologie) in Zukunft auch die Menschliche Intelligenz umfassen wird. Demgegenüber gibt es die Perspektive, dass die Menschliche Intelligenz Elemente enthält, die (noch) nicht von Technologie (Künstlicher Intelligenz) ersetzt werden kann.

In der Zwischenzeit setzt sich – wie so oft – immer stärker die Auffassung durch, dass es durchaus Sinn machen kann, eine Art Hybride Intelligenz zu thematisieren, also eine Art Schnittmenge zwischen Menschlicher und Künstlicher Intelligenz. In der Abbildung ist diese Sicht auf Intelligenz dargestellt.

“Put simply, humans possess “general intelligence” in being able to comprehend and analyze various situations and stimuli, to ideate, create and imagine. The intelligence projected by AI systems is predominantly task-centered (Narayanan and Kapoor, 2022)” (Hossein Jarrahi et al. 2022).

Ergänzen möchte ich an dieser Stelle, dass hier der Begriff “general intelligence” bei der Menschlichen Intelligenz wohl auf den Intelligenz-Quotienten verweist, der allerdings in der Gesamtdiskussion wenig hilfreich erscheint. In dem Beitrag OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler? wird deutlich, dass aktuelle KI-Modelle schon locker entsprechende Intelligenz-Tests bestehen.

Meines Erachtens scheint es immer wichtiger zu sein, das Verständnis der Menschlichen Intelligenz im Sinne von Multiplen Intelligenzen nach Howard Gardner zu erweitern Dieses Verständnis hätte eine bessere Passung zu der aktuellen Entwicklung.

Siehe dazu auch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

OpenAI Model “o1” hat einen IQ von 120 – ein Kategorienfehler?

Lott, M. (2024): Massive breakthrough in AI intelligence: OpenAI passes IQ 120

Wenn wir von Intelligenz sprechen geht es oft um den Intelligenz-Quotienten (IQ) bei Menschen, dessen Ergebnisse in einer Normalverteilung dargestellt werden. Der Wert für den IQ kann dabei aus unterschiedlichen Testverfahren bestimmt werden. Der Mensa Norway IQ-Test ist dafür ein Beispiel.

Maxim Lott hat die dort gestellten Fragen von verschiedenen KI-Anwendungen beantworten lassen. Das Ergebnis ist in der Abbildung zusehen. Das neu vorgestellte Modell “o1” von OpenAI schneidet hier mit 120 Punkten am besten ab. Was bedeutet das?

Da in den IQ-Tests oftmals eher logisch-mathematische Attribute abgefragt werden, ist das Ergebnis wenig überraschend. Es stellt sich aus meiner Sicht eher die Frage, ob der Intelligenz-Quotient (IQ) mit seinen in den letzten über 100 Jahren entwickelten Messverfahren geeignet ist, menschliche Intelligenz abzubilden.

Wird das Verständnis von Intelligenz erweitert (entgrenzt), so kommen Dimensionen wie Emotionale Intelligenz, Soziale Intelligenz usw. hinzu, die von einer KI-App nicht, oder nur bedingt abgebildet werden können.

Aus meiner Sicht bedeutet das Ergebnis (Siehe Abbildung) also nicht, dass Künstliche Intelligenz genau so intelligent – oder intelligenter – als ein Mensch ist, sondern dass das zugrundeliegende Intelligenz-Konstrukt (IQ) möglicherweise nicht passt. In der von Howard Gardner vorgeschlagenen Theorie der Multiplen Intelligenzen ist Intelligenz beispielsweise wie folgt beschrieben:

„Ich verstehe eine Intelligenz als biopsychologisches Potenzial zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“ (Gardner 2002:46-47).

Der Hinweis auf ein “biopsychologisches Potenzial” deutet schon an, dass es für Howard Gardner bei dem Begriff “Intelligenz” für menschliche Intelligenz verwendet. Den Begriff “Künstliche Intelligenz” sieht Howard Gardner daher als Kategorienfehler. Siehe dazu auch Multiple Intelligenzen nach Howard Gardner: Ist eine Intelligenz der anderen überlegen?

Künstliche Intelligenz – ein Kategorienfehler?

Der Begriff Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Es geht dabei allerdings hauptsächlich um die verschiedenen Tools wie ChatGPT, Bard, usw. Es wir suggeriert, dass diese Art der datenbasierten Problemlösung Intelligenz darstellet, eben Künstliche Intelligenz. Dazu gibt es allerdings den Einwand, dass es sich hierbei um einen Kategorienfehler handeln könnte, bzw. handelt. Dazu habe ich folgenden aktuellen Text gefunden:

“Maschinen können helfen, schneller Datenoperationen auszuführen – aber helfen sie auch, bessere Entscheidungen zu treffen? Maschinen helfen logischer zu folgern – aber helfen sie auch, skeptisch zu zweifeln? Maschinen können Daten vereinen aber können sie auch Widerstand organisieren? Maschinen können Informationen aufbereiten aber können sie auch Unbestimmtheit zulassen? Im Begriff der Künstlichen Intelligenz liegt das, was Niklas Luhmann einen Kategorienfehler nannte. Ein Kategorienfehler ist es, wenn eine Bäckerin versucht belegte Brötchen zu backen oder ein Bauer, Bratkartoffeln zu pflanzen. Im Wortspiel Künstliche Intelligenz werden zwei fundamental verschiedene Kategorien verwechselt: das Lösen strategischer (und formalisierbarer) Probleme, das in der KI als Intelligenz interpretiert wird einerseits und das Bewusstsein, das in der Fähigkeit besteht, auf die Komplexität der Welt durch Kreativität und Gefühl zu antworten andererseits. Kann KI letzteres? Nein, denn dazu müssen soziale, emotionale und Künstliche Intelligenz zusammenwirken” (Ehlers 2023, in Schmohl 2023).

Interessant dabei ist, dass nicht nur Nikas Luhmann herangezogen werden kann, sondern auch Howard Gardner in seiner Theorie der Mulftiplen Intelligenz darauf verweist, dass es sich bei Künstlicher Intelligenz um einen Kategorienfehler handelt. Ob Howard Gardner sich direkt dabei auf Luhmann bezieht, kann ich nicht sagen. Siehe dazu Steckt hinter der Künstlichen Intelligenz keine echte Intelligenz? Wie ist das zu verstehen?

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