Warum ist das Scrum Framework im akademischen Umfeld schwierig umzusetzen?

Das Scrum Rahmenwerk (Framework) ist für Entwicklungsprojekte (Innovationsprojekte) in vielen Branchen erfolgreich eingesetzt worden. Somit sollte Scrum gerade für den akademischen Bereich geeignet sein, denn immerhin geht es im akademischen Umfeld oft um innovative Forschungsprojekte, die auch noch massiv gefördert werden. Es ist erstaunlich, dass verschiedene Quellen zeigen, dass Scrum im akademischen Umfeld durchaus auf erhebliche Widerstände stößt, die in den folgenden Abschnitt zusammengefasst wurden.

“Scrum is mostly criticized for potential shortcomings in oversight, because no detailed milestone roadmap or waterfall project plan is followed (e.g. Cervone 2011, 22; for a general debate see Serrador and Pinto 2015). This is particularly problematic for project management in academia as most funding agencies require standard waterfall plans and reporting. Some practitioners of Scrum also criticize the framework for introducing a certain “breathlessness” into project work, referring to the repetitive work cycles and the metaphorical and literal emphasis on sprinting through fixed time intervals. For academic projects, this may not provide enough time to think and focus on in-depth analyses. Furthermore, Scrum language is rather inaccessible to those unfamiliar with the framework, hampering the creation of a common language and common ground, which already is a challenge for inter- and transdisciplinary team work in academia. Finally, the Scrum philosophy or mindset – which is emphasized as one of its most central parts (e.g. Sloan 2015) – might be perceived as too dogmatic by academic teams and may lead to resistance rather than effective work processes. There are also voices, however, which underline the (politically) progressive potential of the Scrum mindset to foster non-hierarchical work environments and a communicative work and feedback culture (e.g. Pope-Ruark 2017, 15–22)” (Maren Heibges, Katharina Jungnickel, and Markus A. Feufel 2023, in Torsten Philipp, Tobias Schmohl (eds.) (2023): Handbook Transdisciplinary Learning).

Manche Aspekte können in Zukunft angepasst werden: Beispielsweise die Vorgaben bei Ausschreibungen. Andere wiederum sind schwerer zu verändern. Möglicherweise geht es aber auch gar nicht darum zu fragen, ob Scrum oder klassisches/plangetriebenes Projektmanagement im akademischen Umfeld geeignet ist, sondern um ein angemessenes, adaptives, hybrides Projektmanagement.

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Projektmanager AGIL (IHK). Informationen dazu, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Das EU-Projekt MIapp

MIapp-Logo

Vorgeschichte

In den 90er Jahren habe ich mich intensiv mit dem Trend zur Individualisierung beschäftigt. Neben der gesellschaftlichen Dimension gibt es dabei auch einen wirtschaftlichen Aspekt, der in der hybriden Wettbewerbsstratgie Mass Customization and Personalization zum Ausdruck kommt und in Open Innovation seine Fortsetzung findet.

Ich habe mich damals gefragt, ob es möglich ist, Mass Customization and Personalization auch auf den Bildungssektor zu übertragen. Während meiner Weiterbildung zum Experten für Neue Lerntechnologien habe ich diese Frage 2001 etwas genauer untersucht (Mass Customization in der Bildung: Veröffentlichungen). Das erste Ergebnis war durchaus positiv, denn die neuen Technologien ermöglichten es, Content (Learning Objects) mit Hilfe definierter Standards (z.B. SCORM) individuell zu konfigurieren.

Problematisch war aus meiner Sicht allerdings schon damals, dass es ja nicht die sogenannten Learning Objects sind, die lernen, sondern die Teilnehmer. Die aus meiner Sicht zu starke Technologieorientierung sollte daher durch eine stärkere Teilnehmerorientierung abgelöst werden:

Wie kommt man nun von E minus Learning (E-Learning) zu Learning + E?

Stellt man den Teilnehmer, und die damit verbundene Ermöglichungsdidaktik in den Mittelpunkt der Überlegungen, so wird schnell deutlich, dass man eine Theorie benötigt, die den Teilnehmer in all seinen Dimensionen beschreiben kann. Den Zusammenhang habe ich dann in meinem Paper zur ElearnChina2003 (Veröffentlichungen) erläutert, in dem ich vorschlage, die Multiple Intelligenzen Theorie zu nutzen.

Das EU-Projekt MIapp (2004-2006)

Das EU-Projekt MIapp: The application of Multiple Intelligences theory to increase the effectiveness of e-learning, recruitment practices and Internet search engines. Co-financed by the Leonardo Davinci Program (PT 04/PP/11/24/458). Der Flyer informiert Sie ausführlich über das Projekt.

Natürlich gibt es viele Profiling-Instrumente auf dem Markt, dennoch war ich erstaunt darüber, dass die in den USA und anderen Ländern der Welt häufig eingesetzte Multiple Intelligenzen Theorie in Europa so wenig im Bildungssektor (aber auch in Unternehmen) beachtet wurde. Ich habe daher die University of Information, Technology and Management (UITM) in Rzeszów (Polen) gefragt, ob wir ein Pre-Proposal einreichen wollen. Gesagt – getan. Gemeinsam mit verschiedenen europäischen Partnern (Deutschland, Polen, Spanien, Österreich und Griechenland) haben wir dann den Antrag gestellt. Die Freude war groß, als wir erfuhren, dass das Projekt MIapp genehmigt wurde. Wir haben virtuell zusammengearbeitet, und uns im Projektzeitraum immer wieder zu Meetings getroffen:

  • MIapp-Meeting an der Universität Barcelona, Spanien
  • MIapp-Meeting bei FORTH auf Heraklion, Griechenland
  • MIapp-Meeting an der Universität in Freiburg, Deutschland
  • MIapp-Abschluss-Meeting an der UITM in Rzeszów, Polen (Program of the Seminar).

Rossbacher, F. (2011): Die Wissensbilanz als Instrument des Hochschulmanagements: Österreichische Universitäten im Vergleich

Das Taschenbuch Rossbacher, F. (2011): Die Wissensbilanz als Instrument des Hochschulmanagements: Österreichische Universitäten im Vergleich hat das Ziel, “den Nutzen und das Potenzial von Wissensbilanzen deutlich zu machen aber auch Schwächen klar offenzulegen”. Die hier unterstellte Nutzenorientierung ist in Zeiten von Kostendiskussion, Bildungscontrolling, Qualitäts- und Lean Management im Bildungssektor nicht verwunderlich. In Deutschland gibt es allerdings noch keine Verpflichtung der Universitäten, eine Wissensbilanz – Made in Germany zu erstellen, doch immer mehr wissensbasierte Organisationen (inkl. der Bildungsorganisationen) erkennen, dass die industriell geprägte Perspektive auf organisationale Werte nicht ausreicht und setzen zusätzlich die Wissensbilanz – Made in Germany ein. Das ist ein erster wichtiger Schritt, doch muss neben der verbesserten betriebswirtschaftlichen Dimension auch eine Verbesserung im pädagogischen Bereich hinzukommen, um das Bildungssystem weiterzuentwickeln. Dazu zählen eine stärkere Orientierung an einem modernen Lernbegriff (Problemlösung unter Unsicherheit), und einer damit verbundenen Kompetenzentwicklung usw. Darüber hinaus sollte auch stärker die Öffnung von Bildungsprozessen für Innovationen (Open Innovation) genutzt werden. Siehe dazu auch Wissensbilanz-Verordnung 2010 für Universitäten in Österreich, Bildung als Investition?, Eine Ware namens Wissen, Universität als Kostenfaktor oder als größtes Kapital einer Stadt?, Das Intellektuelle Kapital ist im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit von KMU der wichtigste Faktor.

Supermacht des Wissens: Indien?

In den letzten Monaten gabe es verschiedene Zeitungsmeldungen, die sich mit Indien und China befassten. Martin Spiewark wies beispielsweise in dem Artikel Klasse statt Masse (Die Zeit, 18.12.2008) darauf hin, dass Indien wie China Supermacht des Wissens sein will. Ähnliche Artikel waren vorher auch bei anderen Zeitungen erschiedenen: Auf die Neue Supermacht des Wissens weist Die Welt am 06.12.2008 hin, und meint damit Indien. Wirklich neu ist das allerdings nicht, denn man kann in der Einleitung des Buchs Wagner, Chr. (2006): Das politische System Indiens nachlesen: “Die Ankündigung des indischen Präsidenten Kalam, sein Land zur ´Wissenssupermacht´ des 21. Jahrhunderts zu machen, unterstreicht den angestrebeten Imagewandel des Landes”. Auch andere Region haben erkannt, dass Wissen in Zukunft die wichtigste Ressource sein wird: Arabische Emirate: Wissen statt Öl? Alle Artikel verbinden die Thematik Wissen mit den In vestitionen in Bildung. Wie sieht aber Bildung in einer wissensbasierten Gesellschaft aus? Siehe dazu auch Neue Fragen aber alte Antworten. Es ist schon verwunderlich, dass wir in Deutschland erst jetzt so langsam merken, dass sich andere Länder auch auf die Wissensökonomie ausrichten. Dafür gibt es ein sehr schönes indisches Sprichwort: Froschperspektive im Brunnen – vom Rest der Welt keine Ahnung.

Sieht so Ihre Wissensgesellschaft aus?

Unterricht17.jpgIn der Süddeutschen Zeitung vom 23.05.2008 habe ich gerade den Artikel Sehr geehrte Bildungsminister! von Tanjev Schultz gelesen. Es geht darin um einen fiktiven Brief von Wilhelm von Humboldt an die Kultusminister, die sich ja immer wieder gerne auf unseren “ersten Bildungsbeauftragten” beziehen. Man findet in dem Artikel interessante Stellen: “Viele Schulen wirken auf mich wie Lernfabriken aus den frühen Tagen der Industriegesellschaft. (…) Sie testen Zehnjährige? (…) Sind Sie noch bei Trost? (…) Ich glaube zwar nicht, dass es ausreicht, einfach mehr Geld in die Schulen und Universitäten zu stecken. Aber dass Sie, gemessen am Reichtum Ihrer Gesellschaft, zu wenig für die Bildung ausgeben, das wissen Sie doch selber.” Natürlich wissen wir alle längst um die hier genannten Punkte, dennoch ist es gut, wenn man die Bedeutung des Bildungssystems für die wissensbasierte Gesellschaft immer wieder herausstellt. Denn eines dürfte deutlich sein: Unsere Politiker haben es noch nicht verstanden – möglicherweise wollen sie es ja gar nicht verstehen…

Gassmann, O.; Enkel, E. (2006): Open Innovation: Externe Hebeleffekte in der Innovation erzielen

open-innovation-unisg.jpgIn dem Beitrag Gassmann, O.; Enkel, E.: Open Innovation: Externe Hebeleffekte in der Innovation erzielen. In: Zeitschrift Führung + Organisation (2006), Nr. 3, S. 132-138 erfährt man, dass die Misserfolgsquote bei Innovationen relativ hoch ist: Konsumgüter zwischen 35-60% und Industriegüter zwischen 25-40%. Darüber hinaus nennen die Autoren auch die drei Kernprozesse des Open Innovation Ansatzes:

(1) der Outside-in Prozess reichert das interne Wissen des Unternehmens an mit externem Wissen von Kunden, Lieferanten oder Partnern wie auch durch das aktive Transferieren von Technologien aus anderen Unternehmen und Universitäten.

(2) Der Inside-out Prozess unterstützt die externe Kommerzialisierung durch Lizensierung Ideen schneller auf den Markt zu bringen sowie Technologien besser zu multiplizieren als das durch eine interne Ausbeutung möglich wären.

(3) Der Coupled Prozess beinhaltet eine Kopplung der Integration und Externalisierung von Wissen zum Zwecke der gemeinsamen Entwicklung in Allianzen, Joint Ventures und Innovationsnetzwerken, bei welcher eine Balance zwischen Geben und Nehmen den Kooperationserfolg bedingt.

Weitergehende Informationen findet man auf der Website Center for Innovation der Universität St. Gallen.

Wagner, B. M. (2006): Wissensmanagement an Schulen

Schueler2018.jpgIn seiner Diplomarbeit Wissensmanagement an Schulen (Inhaltsverzeichnis) stellt B. M. Wagner den aktuellen Stand der Diskussion dar (Seite 2-3): “In der vorliegenden Arbeit wird Wissensmanagement im Hinblick auf den Umgang mit dem beruflichen Wissen von Lehrpersonen betrachtet, (…). Die zentrale Fragestellung (…) ist die nach Empfehlungen für weitere Forschungs- und Implementierungsaktivitäten im Hinblick auf das Thema Wissensmanagement an Schulen. Dafür wird der aktuelle Stand aus Forschung und Implementierung immer weiter verdichtet, sodass am Ende dieser Arbeit ein Überblick über den aktuellen Stand hinsichtlich der Notwendigkeit zur Einführung sowie über die Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten von Wissensmanagement an Schulen vorliegt. Auf Basis der vorgestellten Beiträge, Realisationsbeispiele und Ergebnisse einer Studie zur Dissemination von Wissen sollen Empfehlungen für die Praxis abgeleitet und weitere Forschungsaktivitäten angeregt werden.” Wenn Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis ist (nach Willke), so ist es sinnvoll, Wissensmanagement nicht nur für Unternehmen und Universitäten, sondern auch für Schulen zu nutzen. Konsequenterweise sollte dann auch eine Wissensbilanz – Made in Germany erstellt werden. Siehe dazu auch Kelly, A. (2004): The Intellectual Capital of Schools: Measuring and managing knowledge, responsibility and reward: Lessons from the commercial sector (Dordrecht, New York & London, Kluwer Academic Press) und Prof. Kelly´s Website.

Wilkesmann, U.; Würmseer, G. (2007): Wissensmanagement an Universitäten

universitaet.jpgUwe Wilkesmann und Grit Würmseer stellen in dem Diskussionspapier Wissensmanagement an Universitäten dar, dass Wissensmanagement für Universitäten sinnvoll eingesetzt werden kann – allerdings unter Beachtung der Besonderheiten von Universitäten im Vergleich zu Organisationen in der Wirtschaft. Diesen Hinweis hätte es aus meiner Sicht nicht bedurft, da ein Wissensmanagement-Konzept immer sehr spezifisch ist (kontextabhängig). Weiterhin gehen die Autoren nur auf das Wissensmanagement-Modell von Probst et al. ein. Andere Modelle wie das EU-Modell, das SEKI-Modell, das Fraunhofer-Modell oder die Überlegungen von Reinmann-Rothmeier werden nicht thematisiert. Erfreulich ist, dass die Autoren auch auf die Möglichkeit der Wissensbilanzierung hinweisen. Leider fehlt auch hier eine wichtige Information: Der direkte Verweis auf die Wissensbilanz – Made in Germany. Österreichische Universitäten sind schon länger per Gesetz dazu verpflichtet, eine Wissensbilanz zu erstellen (Siehe dazu auch diesen Blogbeitrag). Es fehlt nicht an den Instrumenten, sondern an handelnden Personen/Organisationen. Aber irgendwann wird sich das Thema auch in Deutschland noch entwickeln…, möglicherweise auch bei den mehr als 20.000 Bildungsanbietern.

Neue Fragen und alte Antworten

Die Financial Times hat den Bereich “Bildung” zu einem Schwerpunktthema gemachte. In meinem Blogbeitrag vom 17.01.2007 hatte ich schon die Frage gestellt, wie die FTD wohl über das Thema “Bildung” berichten wird. Wie schon vermutet: Aus der Perspektive der Wirtschaft und der Wirtschaftlichkeit. Um es noch einmal zu sagen: Ich bin dafür, Universitäten, Schulen usw. so zu organisieren, dass diese wirtschaftlich sind. Allerdings stellt sich die Frage, von welcher “Bildung” sprechen wir und was bedeutet Wirtschaftlichkeit in diesem Zusammenhang? Ist es eine Bildung, die der industriellen Logik unterworfen ist (Kosten-, Leistungsrechnung/Break-Even/Bildungscontrolling usw.), oder ist es eine Bildung, die es den Menschen ermöglichen soll, in einer eher wissensbasierten Gesellschaft zurecht zu kommen? Oftmals werden also neue Fragen gestellt, aber alte Antworten gegeben (Siehe dazu auch Bildung neu Denken). Der heutige Beitrag Campus Corp. von Marion Schmidt in der FTD ist auch wieder ein Beitrag, der eher die “Industrialisierung der Bildung” propagiert. Kein Wort zur Verbesserung individueller und kollektiver Lernprozesse, zu Selbstorganisationsdispositionen der Studenten (Kompetenzentwicklung). Immerhin ist nach Wilke “Lernen der Prozess und Wissen das Ergebnis”. Wollen wir also das Ergebnis verbessern, sollten wir uns den Lernprozess (individuell/kollektiv) ansehen und die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen (Kontext) schaffen. Die Ergebnisse müssen dann allerdings nicht nur durch die Brille industriell geprägter Controller betrachtet, sondern auch mit der Brille einer Wissensbilanz gesehen werden. Ein gutes Beispiel bieten hier unsere österreichischen Nachbarn. Siehe dazu meinen Blogbeitrag vom 27.02.2007 oder Wirtschaft und Bildung.

Wissensbilanz-Verordnung für österreichische Universitäten

Es ist interessant zu lesen, was in der Wissensbilanz-Verordnung für österreichische Universitäten steht. Aufbau und Inhalte der Wissensbilanz für österreichische Universitäten werden differenziert vorgegeben. Die Veröffentlichung der Wissensbilanz erfolgt nach einem “Datenclearingprozess” des Bildungsministeriums. In den Anlagen finden sich weiterhin viele Hinweise zu möglichen Kennzahlen. Ich habe den Eindruck, als ob die Vorgaben für Wisensbilanzen österreichischer Universitäten recht “zahlenlastig” sind. Dennoch würde ich mir wünschen, dass auch deutsche Universitäten bzw. Bildungsträger (ich mag das Wort nicht) Wissensbilanzen erstellen. Warum eigentlich nicht?