In den Unternehmen ist häufig folgender Satz zu hören: “Wenn X wüsste, was X weiß”. Doch woher stammt dieser Satz? Beim Recherchieren fällt auf, dass dieser Satz ganz allgemein HP (Hewlett-Packard) zugeschrieben wird. Genauer gesagt, soll der CEO Lew Platt folgenden Satz formuliert haben: “If HP knew what HP knows, we would be three times as profitable” (vgl. Davenport/Prusak 1998:xii; see also O’Dell/Grayson 1998, zitiert in Hinds/Peffer 2003:3). Um auch noch die letzten Zweifler zu beruhigen, hier noch die genaue Quelle: Hinds, P. J.; Pfeffer, J. (2003): Why Organizations Don’t “Know What They Know”: Cognitive and Motivational Factors Affecting the Transfer of Expertise. In: Ackerman, M. S.; Pipek, V.; Wulf, V. (2003) (Eds.): Sharing Expertise. Beyond Knowledge Management, pp. 3-26. Interessant ist, dass es Lew Platt gar nicht alleine darum ging auf das Nicht-Wissen hinzuweisen – das alleine verkürzt das Zitat unangemessen. Der CEO verknüpft das Nicht-Wissen zusätzlich mit einer Renditeperspektive, die schon erstaunlich ist. Lew Platt vermutet, dass HP dreimal so profitabel wäre, wenn das Unternehmen wüsste, was es weiß. Es sollte Organisationen zu denken geben, immer nur von Wissen zu sprechen, ohne es angemessen zu entwickeln.
Wissensmanagement und Expertise (Expertenwissen teilen)
Der Umgang mit Wissen (Wissensmanagement) wird oftmals verkürzt dargestellt. Ackerman, M. S.; Pipek, V.; Wulf, V. (2003:XII-XIII) beschreiben ein erweitertes Verständnis von Wissensmanagement wie folgt:
Recently, research and practice has moved to the second type of knowledge management, which we call expertise sharing. Many researchers (e.g., Argyris and Schön 1996; Nonaka 1991) have pointed the way toward this type of knowledge management. The human resources and organizational behavior fields have for years hinted at the importance of personnel in organizational life. Ackerman (1993) argued for the importance of augmenting what he called expertise networks. Bannon and Kuutti (1996) proposed considering the active, constructive aspect or remembering in work activities as an invaluable resource in organizations.
Expertise sharing, then, focuses on the human components – the cognitive, social, cultural, and organizational aspects of knowledge work – in addition to information storage and retrieval. Compared to traditional approaches, which emphasize the role of management in organizing knowledge exchange, our perspective focuses on self-organized activities of the organizations’ members. In enabling sharing, organizations try to connect people to one another so as to bolster communication, learning, and organizational knowledge.
Die Autoren heben im letzten Teil hervor, dass es beim Teilen von Expertise (Expertenwissen) auf die Entwicklung der Selbstorganisations-Aktivitäten (Selbstorganisationsdispositionen) der Mitarbeiter im Umgang mit Wissen ankommt. Siehe dazu auch Vom Lernen über das Lernmanagement zum Kompetenzmanagement in Unternehmen, Wissensmanagement und Kompetenzmanagement: Welche Unterschiede/Gemeinsamkeiten gibt es?
Wissensmanagement und Kompetenzmanagement: Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es?
Der Umgang mit Wissen (Wissensmanagement) und die Entwicklung von Kompetenzen (Kompetenzmanagement) sind in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus von Unternehmen gegrückt. Interessant dabei ist, dass die Wissenskonstruktion – und damit das Lernen -, sowie die Kompetenzentwicklung (weniger die Qualifikation) durchaus Domänen der Erziehungswissenschaften sind. Gibt es etwa eine Konvergenz zwischen den betriebswirtschaftlichen und den pädagogischen Prinzipien. Bisher gehen ja beide Bereiche eher von einer “Unverträglichkeit” aus. Ob das auch in Zukunft so sein wird?
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Wissensmanagement und Kompetenzmanagement fasst Erpenbeck (2007:27, Hervorhebungen im Original) folgendermaßen zusammen:
- Wissensmanagement: Das Management operablen Wissens
- Kompetenzmanagement: Das Management operablen und nicht-operablen Wissens
- Integriertes Kompetenzmanagement: Das Management operablen und nicht-operablen Wissens auf der Individual- und der Unternehmensebene unter Bezugnahme auf die „Brücke“ zwischen den Ebenen
Aus meiner Sicht sollte ein so verstandenes Integriertes Kompetenzmanagement nicht nur die individuelle Ebene und die Unternehmensebene, sondern auch die Gruppenebene und Netzwerke berücksichtigen.

Siehe dazu ausführlich Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.
Wissensmanagement in Fertigungsprozessen lohnt sich
Der Artikel Wissensmanagement verbessert Qualität von Kugelgewindetrieben (Heinrich Wilms und Florian Albrecht, in: Maschinenmarkt vom 24.06.2011) zeigt auf, welche Vorteile die Wissensperspektive auf Fertigungsprozesse bringen kann: “Das Wissen über die Hartwirbelprozesse kann auf diese Weise noch schneller und gezielter weiterentwickelt werden.” Die bessere Nutzung dieser Wissensdomäne (Wissen über …) schafft die Grundlage für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es freut mich, dass nicht nur die technische (Datenbank) oder organisationale (Fertigungsprozesse), sondern auch die menschliche Dimension im Umgang mit Wissen (Management von Wissen) thematisiert wird: “Unter Umständen wandert solches Wissen hin und wieder mitsamt Mitarbeitern aus einem Unternehmen ab. Dadurch kann die technische Nachhaltigkeit solcher Unternehmen gerade im Mittelstand erheblich beeinträchtigt werden.” Siehe dazu auch: Bei der Arbeitssituationsanalyse rückt das Ganze der Arbeit in den Mittelpunkt.
Studie zum Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010: Stand der Praxis in der deutschen Wirtschaft
Die Studie Pawlowsky, P.; Gözalan, A.; Schmidt, S. (2011): Wettbewerbsfaktor Wissensmanagement 2010: Stand der Praxis in der deutschen Wirtschaft wurde vom Bundesminsterium der Wirtschaft in Auftrag gegeben und soll in diesem Jahr noch in Buchform veröffentlicht werden. Erste Ergebnisse wurden auf dem Kongress “Standortvorteil Wissen” Ende Mai in Berlin vorgestellt (WM: Wissensmanagement, ICM: Intellectual Capital Management).
Als wesentliches Studienergebnis zum Status quo der WM/ICM-Aktivitäten in der deutschen Wirtschaft ist festzuhalten, dass bei der Mehrzahl der 3401 befragten Un-ternehmen sich eine überragende Bedeutung von Wissensmanagement zur Kundenorientierung (Kontakte, Reklamation) und zur Fehleridentifikation und Kompetenzidentifikation im Unternehmen zeigt” (S. 22).
Betrachtet man sich die Studie noch ein wenig genauer, so werden auch die Zusammenhänge zum Innovationsmanagement deutlich. Wissensmanagement zur Kundenorientierung geht hier weiter als die bloße Bearbeitung von Kontakten und Reklamationen, sondern geht der Frage nach, wie Kundenwissen in die Wertschöpfung intergriert werden kann (Open Innovation). Der Hinweis zum Fehlermanagement verweist auf ein Riskomanagement und auf eine neue Fehlerkultur, die nicht Fehler saktioniert, sondern manche Fehlertypen als Bestandteil innovativer Prozesse versteht. Nicht zuletzt freut es mich auch zu lesen, dass die Identifikation der Kompetenzen in den Unternehmen immer wichtiger wird. Dabei geht es nicht alleine um Qualifikationen oder um einen Soll-Ist-Abgleich, sondern um das neue Verstandnis von Kompetenz auf allen Ebenen. Siehe dazu auch meine Dissertation Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk, die im Sommer im Verlag Dr. Kovac erscheinen wird.
Nächste Generation Wissensmanagement. Wirklich?
Das Open Journal of Knowledge Management – Ausgabe II/2010 trägt den Titel Nächste Generation Wissensmanagement: Wie sich der Umgang mit Wissen und Kommunikation wandelt. Es handelt sich bei dem Journal um eine Zusammenfassung einiger Artikel, die schon früher erschienen sind. Ob es sich hier wirklich um die Darstellung der nächsten Generation von Wissensmanagement handelt, sei dahingestellt. Fraglich ist weiterhin, ob es gut ist, immer wieder von einer nächsten Generation zu sprechen. Dieser Ansatz suggeriert, dass es vorhergehende “Generationen” gibt, die schlechter sind. Der Gedanke erinnert an die von Bell 1973 genannten gesellschaftlichen Entwicklungen (Agrargesellschaft, Industriegesellschaft usw.) bei denen die nachfolgenden Gesellschaften immer entwickelter und die vorherigen “unterentwickelt” sind. Diese Linearität in der Entwicklung solch komplexer Zusammenhänge beim Umgang mit Wissen reduziert die Thematik unangemessen. Einer der Artikel in dem Journal geht auf den Zusammenhang mit Komplexität ein und verweist berechtigt auf die wichtige Rolle der Selbstorganisation in komplexen Systemen. Es stellt sich allerdings hier die Frage, ob wir es denn dann nicht eher mit Kompetenzmanagement (Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition) und einer Kompetenzgesellschaft zu tun haben…
Professionelle Internetrecherche und Wissensmanagement
Es gibt verschiedene Strategeien mit den vielen Daten und Informationen umzugehen. Eine ist, diese zu reduzieren, was eine nicht angemessene Vereinfachung wäre. Die zweite Möglichkeit ist, sich einzugestehen, dass man doch nichts machen kann (Ohnmachtsgefühl). Es gibt allerdings auch die Chance, die Daten- und Informationsflut bewältigen zu wollen. Dieser optistische und zukunftsorientierte Ansatz wird durch die gute und übersichtliche Webseite Professionelle Internetrecherche und Wissensmanagement (Online-Tutorium zum Selbststudium) unterstützt. Es zeigt sich, dass man noch viele “hilfreiche Geister” nutzen kann, um sich selbst zu organisieren. Die daraus entstehende Daten- und Informationsbasis ist Grundlage für die individuelle Wissenskonstruktion.
Wie kann man semantische Netze in der Produktentwicklung nutzen?
In Conrad, J. (2010): Semantische Netze zur Erfassung und Verarbeitung von Informationen und Wissen in der Produktentwicklung geht der Autor von folgendem Zusammenhang aus: “Innerhalb der gezeigten Ansätze rechtfertigt insbesondere die als netzartig beschriebene Sicht auf den Wissensbegriff zudem eine nähere Betrachtung Semantischer Netze zu dessen Erfassung in der Produktentwicklung” (Seite 25). Erfassung bezieht sich hier auf Wissen und unterstellt somit ein wenig dynamisches Konstrukt. Berücksichtigt man, dass Wissen aus Daten und Informationen situativ konstruiert wird, so kann dieser Prozess durch Technologie nur ermöglicht werden. Taxonomie, Ontologie und Semantik sind im Wissensmanagement wichtig, dennoch nicht isoliert zu betrachten. Siehe dazu auch Baier (2008): Semantische Technologien in Wissensmanagementlösungen (Studie). Technologiegetriebenes Wissensmanagement ist von den Rahmenbedingunegn abhängig (Kontext is King).
LERNET 2.0-Praxisleitfaden (2010): Web 2.0 für Lern- und Wissensmanagement in KMU
Der LERNET 2.0-Praxisleitfaden (2010): Web 2.0 für Lern- und Wissensmanagement in KMU (Link nicht mehr aktiv 28.01.2014)enthält die gesammelten Erfahrungen aus dem Projekt Lernet 2.0, in dem die vielfältigen Instrumente des “E-Learning 2.0” eingesetzt und eingeschätzt wurden. Das Fazit ist überwiegend positiv. Einzelne Instrumente wie Blogs, Twitter, Microblogs und Wikis werden in dem Leitfaden ausführlich dargestellt, andere nur erwähnt. Es ist gut, wenn die Möglichkeiten des Web 2.0 für das Lernen auf der individuellen Ebene, in Communities und auf organisationaler Ebene dargestellt werden. Letztendlich ist es allerdings auch von der speziellen Arbeitssituation abhängig, wie das Lernen im Prozess der Arbeit durch Web 2.0 unterstützt werden kann. Erst dann entwickeln sich diese Instrumente zu wertschöpfenden Bestandteile in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU).
Wissensmanagement-Lösungen für den Mittelstand individuell anpassen
Am 27.05.2010 fand auf Einladung des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Veranstaltung Fit durch Wissen – Wissensmanagement-Lösungen für den Mittelstand in Berlin statt. Das Bundesministerium hat in der Vergangenheit ca. 30 Projekte rund um das Thema “Wissen” gefördert. Auf der Tagung wurde anhand einiger dieser Projekte gezeigt, wie man das schwierige Thema Wissen in mittelständischen Unternehmen erfolgreich umsetzen kann. Man sieht auch hier deutlich, dass Wissensmanagement sehr individuell auf den Unternehmenskontext abgestimmt werden muss. Ein allgemeines Verständnis darüber, was man heute unter Wissen, Wissensmanagement oder Wissensbilanz – Made in Germany ist hilfreich, um eine firmenspezifische Lösung zu finden. Siehe dazu auch Projekt ProWis.