Subjektivierung der Arbeit: Was versteht man darunter?

Die momentane Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Berufsbilder, die sich an stabilen Fähigkeitsstrukturen orientieren lösen sich auf. Auch dauerhafte Beschäftigung, stabile Arbeitszeiten usw. deuten auf eine Entgrenzung der Arbeit hin. Diese wiederum führt zu mehr Freiräumen, die von den Mitarbeitern selbstorganisiert genutzt werden sollen und müssen (Selbstorganisationsdisposition). Dabei bringen sie ihre Potenziale ein. Diese Subjektivierung der Arbeit muss ganz anders gesteuert werden, als es das Management traditioneller Arbeitsformen vorgab. Gerade Führungskräfte sollten sich mit diesen Aspekten der Veränderungen befassen.

Siehe dazu auch
Bei der Arbeitssituationsanalyse rückt ´das Ganze der Arbeit´ in den Mittelpunkt.
Die Entgrenzung des Lernens erfordert neue Konzepte der Personalentwicklung

Wandel ist nicht gleich Wandel: Sicherer Wandel, abschätzbarer Wandel, offener Wandel

Der Begriff Wandel ist in aller Munde, doch was versteht man darunter? Zahn/Dillerup (1995:38) unterscheiden den sicheren Wandel (Ruhige Umwelt), den abschätzbaren Wandel (Veränderliche Umwelt) und den offenen Wandel (Turbulente Umwelt). Selbstverständlich gibt es ein Kontinuum mit verschiedenen Zwischenzuständen (Stacey 1991). Nach Ackhoff (1994:175ff.) ist das Systemverständnis jeweils unterschiedlich. Im sicheren Wandel sind mechanistische Systeme üblich (Unternehmen als Maschine), beim abschätzbaren Wandel spricht man von organismischen Systemen (Unternehmen als Organismus) und beim offenen Wandel von sozialen Systemen (Unternehmen als soziales System). Diese Unterscheidung sollte man sich klar machen, denn zu den jeweiligen Metaphern gehören spezifische Managementziele. Beim sicheren Wandel geht es um Effizienz, beim abschätzbaren Wandel um kontinuierliche Verbesserungen und beim offenen Wandel um Erneuerung. Da wir uns in einem offenen, turbulenten Wandel befinden (Theorie der reflexiven Modernisierung) geht es in den Unternehmen darum, die Selbstorganisationspotenziale zu erschließen und zu nutzen. Siehe dazu auch Komplexität, Selbstorganisationsdisposition.

Schilderwald Deutschland und der Umgang mit Komplexität

Betrachtet man sich den Schilderwald in Deutschland einmal genauer, so fällt auf, dass dieser in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden ist. Immerhin haben wir 20.000.000 Schilder in Deutschland – bezogen auf das Streckennetz bedeutet das statistisch alle 28m ein Schild. Beeindruckend. Findige Bürokraten versuchen mit immer mehr Regeln und entsprechenden Schildern, den Straßenverkehr “in den Griff” zu bekommen. Diese Vorgehensweise entspricht den Denk- und Handlungsmustern der einfachen Moderne (Reduktionismus). Dabei unterstellt man eine gewisse Rationalität, mit der man Komplexität einfach reduziert und regelt. Dass das in einer immer stärker vernetzten und globalisierten Welt keine angemessene Vorgensweise ist, hat schon die Krise in der Finanzwelt gezeigt. Wenn man nun laaaaaaangsam anfägt, Schilder abzumontieren und immer mehr Kreisverkehr-Lösungen umsetzt, so zeigt das grundsätzlich in die richtige Richtung: Selbstorganisation. Selbstorganisation ist Grundelement im Umgang mit Komplexität in der reflexiven Moderne. Der Übergang zur Selbstorganisationsdisposition (Kompetenz nach Erpenbeck/Heyse) ist dann nicht mehr weit. Aber wer will das schon?

Organisationen als Mülltonnen? Eine interessante Metapher

Für Organisationen werden immer wieder Metapher gesucht und gefunden. Organisationen, z.B. Unternehmen, werden oft als Maschine gesehen. Diese Metapher sollte heute allerdings nicht mehr genutzt werden. Unternehmen als lebende Organismen zu sehen, ist eine bessere Metapher. Nun habe ich bei Cohen/March/Olsen (1962) gesehen, dass diese Forscher vorschlagen, Organisationen als Mülltonnen zu sehen, in die man Probleme schmeißt. Weick (1995) ist diese Vorstellung gar nicht so unrecht, da sie darauf abziehlt, Organisationen als selbstorganisierendes System zu betrachten…. Interessant. Mir erscheint die scharfkanntige Abgrenzung durch die Metapher “Mülltonne” allerdings nicht angemessen, da sich Unternehmen heute doch stärker öffnen müssen – siehe z.B. Open Innovation.

Auf welchen Systemebenen laufen in Unternehmen Lernprozesse ab?

Lernprozesse in Unternehmen laufen nach Pawlowsky (2003) auf den Systemebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk ab. Diese Perspektive deckt sich mit dem Mehrebenenansatz in der Kompetenzdebatte (Wilkens 2004). Es wird deutlich, dass Lernen und damit verbunden die Kompetenzentwicklung auf den verschiedenen Ebenen in Zukunft immer wichtiger wird. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen zum Umgang mit diesem komplexen (sozialen) System. Darüber hinaus ist im Unternehmensumfeld wichtig, dass man auf allen Ebenen zielgerichtet Handeln kann. Denn eins ist klar, die Existenzberechtigung der Unternehmen resultiuert aus der Fähigkeit Probleme zu lösen – und zwar komplexe Probleme. Diese Zusammenhänge arbeite ich gerade ein wenig in meiner Dissertation auf, in der ich der Frage nachgehe, ob das Konzept der Multiplen Kompetenz geeignet ist, ein entsprechendes Rahmenkonzept zu entwickeln…

Was ist das kritische Erfolgpotenzial in Organisationen?

“Das kritische Erfolgspotenzial in Organisationen stellt heute nicht mehr die Technik, sondern der Mensch dar. Somit muss die ökonomisch-technische Rationalität von einer ökonomisch-sozialhumanen abgelöst werden. Die Einsicht, dass das Ökonomische vom Sozialen getragen und bewegt wird, muss realisiert werden“ (Bleicher 1992:31).  Ja sollen wir denn alle Sozialarbeiter werden? Nein, das ist nicht gemeint – ist ja auch schwer möglich. Doch: Viele sehr rational denkende Manager könnten von Sozialarbeitern durchaus einiges lernen…-doch wer will das schon? Was Bleicher meint ist, dass der Mensch in komplexen sozialen Systemen im Gegensatz zu technischen Systemen gut zurecht kommt. Unternehmen sehen allerdings Mitarbeiter immer noch als lästigen Kostenfaktor und weniger als Erfolgspotenzial. Mal sehen, ob sich das in Zukunft ein wenig ändern wird…

Was macht eine Firma zu einer Firma im Markt?

Die Frage, was eine Firma zu einer Firma im Markt macht, stellte Ronald Coase 1937 in seinem berühmten Aufsatz The Nature of the Firm (Linkhinweis von wissensdialogjournal – Danke). Er beantwortete die Frage ” (…) mit der Feststellung, dass es die Transaktionskosten seien: Die Kooperation zwischen den eine Firma konstituierenden Personen sei kostengünstiger als es eine Organisation der Produktion nur über den Markt sein könne“ (Gehring 2005:422).

Die Transaktionskosten haben sich allerdings in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen dramatisch reduziert und damit die Existenzgrundlage vieler Unternehmen verändert. Nehmen Sie nur einmal die Veränderungen in der Musik- und Medienbranche durch das Internet als Beispiel. Auch die Entwicklungen in den Bereichen Open Source und Open Innovation deuten auf ein anderes Verständnis von einem Unternehmen hin. Viele Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, mit den veränderten Bedingungen umzugehen und antworten noch zu häufig mit klassischen Instrumenten der Industriegesellschaft (einfache Modernisierung, Reduktionismus). 

Es ist allerdings zu bedenken, dass wir uns in einer anderen Modernisierungphase mit anderen, neuen Denk- und Handlungsmuster befinden. In dieser reflexiven Modernisierung greifen die alten Muster nicht mehr. Wie würde Ronald Coase seine Frage heute aus der Perspektive der reflexiven Modernisierung beantworten?

Der Strukturbruch zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung

Wenn von Modernisierung gesprochen wird, handelt es sich häufig um die einfache Modernisierung, die sich seit dem 18. Jh. abzeichnet. Diese einfache Modernisierung geht von stetigem Fortschritt, Beherrschbarkeit der Natur usw. aus. Diese “Basisselbstverständlichkeiten” werden allerdings in letzter Zeit immer häufiger infrage gestellt. Viele Beobachter der Entwicklung sehen sogar einen Strukturbruch im Übergang zu einer etwas anderen Modernen – der reflexiven Modernisierung. Seit 1999 gibt es das Sonderforschungsprogramm SFB 536, das sich genau mit dieser Thematik befasst. Hier einige Kernpunkte:

  • Zum einen ist in die Entwicklungsdynamik der Moderne ein nachhaltiger Kontingenzzuwachs eingebaut, der sich unter den Bedingungen der reflexiven Moderne in einer folgenreichen Vervielfältigung von Optionen niederschlägt. Soziale Strukturierungen vom individuellen Beziehungsnetz bis hin zum Nationalstaat erscheinen nicht mehr als fest und selbstverständlich, sondern werden auch als anders möglich, veränderbar und begründungspflichtig erfahren.
  • Zum anderen macht sich das Problem der Nebenfolgen sozialen Handelns verstärkt bemerkbar. Dass die Verfolgung jedes intendierten Ziels nicht intendierte Nebenfolgen nach sich zieht, ist keineswegs neu. Aber unter den Bedingungen der reflexiven Moderne verschiebt sich das Verhältnis zwischen intendierten Handlungen/Zielen und nicht intendierten Nebenfolgen in teilweise dramatischer Form. Denn die nicht intendierten Nebenfolgen konterkarieren die intendierten Absichten nicht selten in einer Weise, dass die Bearbeitung der Nebenfolgen mehr Aufmerksamkeit und Aufwand erfordert als das ursprüngliche Handlungsprogramm.
  • Vor diesem Hintergrund ist zugleich eine Krise der Rationalitätsunterstellungen und Rationalisierbarkeitserwartungen der einfachen Moderne zu beobachten. So kann offensichtlich nicht mehr davon ausgegangen werden, dass durch mehr Wachstum, Wissen und soziale Differenzierung die gesellschaftliche Strukturierung immer eindeutiger und sicherer wird. Statt dessen wird deutlich, dass die Moderne angesichts der Erfahrungen von Kontingenz und Nebenfolgen eher uneindeutiger und unsicherer wird, und es ist genau dieser Prozess, der trotz oder gerade wegen eines unabweisbaren Zuwachses an Steuerungswissen die bisherigen “linearen” Rationalisierungs- und Ausdifferenzierungsvorstellungen in Frage stellt.

Die meisten Individuen, aber auch Organisationen, gehen immer noch von einer einfachen Modernisierung aus, und wundern sich, dass ihr Antwortverhalten nicht mehr zur der Realität passt. Machen Sie sich also diesen Strukturbruch klar, um für sich angemessene Handlungsweisen abzuleiten.

Kritik am Wertansatz der Kultur: Die Beziehung von Werten und Normen

Vor der Bundestagswahl, aber auch vor anderen Wahlen, kommen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ecken Standpunkte zur Rolle der Kultur – manche sprechen sogar von einer Art “Leitkultur”. Dieser Ansatz unterstellt, dass Kultur handlungsleitend sein kann. Das klingt auch zunächst logisch und schlüssig… doch es gibt dagegen auch erhebliche Bedenken. Swidler (1986) führt dazu aus: “Das herrschende Modell, das benutzt wird, um die Wirkungen von Kultur auf das Handeln zu verstehen, ist grundlegend irreführend. Es nimmt an, daß Kultur das Handeln formt, indem sie höchste Ziele oder Werte, an denen sich das Handeln ausrichtet, zur Verfügung stellt, was die Werte zum zentralen, kausalen Element von Kultur macht”. In die gleiche Richtung argumentiert DiMaggio (1997) und ergänzt: “Wenn wir anerkennen, dass Kultur inkonsistent ist… wird es entscheidend, Einheiten für Kulturanalysen zu identifizieren und die Aufmerksamkeit auf die Beziehungen zwischen diesen zu richten. In der Folge sind unsere Ergebnisse nicht länger Indikatoren einer latenten Variable (Kultur)”. Beide Quellen argumentieren gegen eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Kultur und einem Handeln, das auf Kultur zurückzuführen ist. Kultur ist wie so viele andere Begriffe auch ein Konstrukt, das gerne auf eine vereinfachende Formel gebracht wird, um Stammtische vor Wahlen zu bedienen. Dieser Reduktionismus der komplexen Zusammenhänge ist nicht förderlich, und sollte unterlassen werden (Komplexität) Genau so wie es unsinnig ist, Unternehmen auf eine Zahl zu reduzieren (Shareholder-Value) oder Intelligenz in einer Zahl zu beschreiben (Intelligenz-Quotient:IQ) ist es auch nicht mehr zeitgemäß Kultur auf eine handlungsleitende Dimension zu reduzieren. Konzentrieren wir uns in der Debatte um den Begriff Kultur darauf anzuerkennen (wie DiMaggio es nennt), “dass Kultur inkonsistent ist”. Daraus ergeben sich natürlich viele neue Perspektiven, die manchen Politikern nicht gefallen werden, allerdings der komplexen Wirklichkeit eher entsprechen, als dumpfe Stammtischparolen…

Botthoff/Kriegesmann/Kublik/Schwering (2009): Kompetenz- entwicklung in Hightech-Feldern

Die Studie Botthoff/Kriegesmann/Kublik/Schwering (2009): Kompetenzentwicklung in Hightech-Feldern – Neue Wege für die wissenschaftliche Weiterbildung geht u.a. der Frage nach, welchen Beitrag eine neu zu interpretierende wissenschaftliche Weiterbildung zur Überwindung des Anwendungsstaus neuen naturwissenschaftlich-technischen Wissens leisten kann ( S. 5). Dabei beziehen sich die Autoren auf den Kompetenzbergriff (S. 13): “Grundvoraussetzung für Innovationen im Hightech-Bereich ist die Verfügbarkeit entsprechender Kompetenzen. Die verfügbaren Fähigkeiten stellen dabei die kognitive Basis für die Neukombination und Weiterentwicklung von Wissen in spezifischen Technologiefeldern dar und sind eine Funktion von explizitem (frei verfügbarem) und implizitem (personengebundenem) Wissen. Nur auf der Basis eines Sets entsprechender Wissensbestände besteht eine sinnvolle Option, neue wissensbasierte Lösungen zu erarbeiten.” Der hier angesprochene Kompetenzbegriff bezieht sich aus meiner Sicht noch zu sehr auf die rein kognitive Basis und sollte daher in Richtung einer Multiplen Kompetenz erweitert werden.