Von GenAI zu Agentic AI bedeutet, eine andere Perspektive einzunehmen, und andere Kompetenzen zu entwickeln

WEF (2024): Navigating the AI Frontier. A Primer on the Evolution and Impact of AI Agents

Alle reden und schreiben über KI (Künstliche Intelligenz / AI: Artificial Intelligence) und meinen damit meistens GenAI. Bei den verschiedenen KI-Anwendungen geht es mehrheitlich darum, Abläufe mit ihren verschiedenen Tasks zu unterstützen. Siehe dazu beispielsweise Künstliche Intelligenz beeinflusst den gesamten Lebenszyklus der Software-Entwicklung. Ähnliches findet man auch bei anderen Branchen wie z.B. der Kommunikationsbranche usw.

Diese vielfältigen Möglichkeiten faszinieren Menschen und Organisationen so sehr, dass sie das auch bei den entsprechenden Kompetenzentwicklungen als einen der Schwerpunkte sehen. Hervorheben möchte ich hier beispielsweise das oft erwähnte Prompt-Engineering.

Betrachten wir allerdings neuere KI-Entwicklungen, so wird immer deutlicher, dass es in der nahen Zukunft immer mehr darum gehen wird, mit KI-Agenten (Agentic AI) umzugehen. Dabei verändern sich allerdings die Perspektiven auf die Nutzung von KI grundlegend. Der folgende Absatz zeigt das deutlich auf:

“Quite simply, today, most people use AI in a task-oriented workflow (for example, to finish a code stub or summarize a document), whereas agents are goal oriented. You give an AI agent a task, and it will get it done and even plan future actions without needing your explicit guidance or intervention. Working with agents requires a change in perspective: instead of designing an AI driven app to run some specific tasks, you use an agentic approach that focuses on outcomes and objectives. An agent will try to achieve a desired outcome and will figure out on its own which tasks are necessary” (Thomas, R.; Zikopoulos, P.; Soule, K. 2025).

Die in dem Zusammenhang mit KI thematisierten Kompetenzen waren und sind immer noch zu sehr auf den “task-oriented workflow” ausgerichtet. Dabei benötigen wird bei der eher “goal oriented”, also ergebnisorientierten (zielorientierten) Herangehensweise, andere Kompetenzen.

Ich bin gespannt, wie die vielen KI-Kompetenzmodelle diese Entwicklungen abfangen werden. Denn: Kaum ist das eher task-oriented Kompetenzmodell veröffentlicht, muss schon nachgebessert werden. In der Logik dieser Kompetenzmodelle wird es wohl bald eine Weiterentwicklung geben, die in Zukunft “AI Agentic” – Kompetenzen in den Mittelpunkt stellt, usw. usw. Ob das für Menschen und Organisationen einen guten (stabilen) Rahmen für ein modernes Kompetenzmanagement bietet?

Wie Sie als Leser meines Blogs wissen, stehe ich diesen KI-Kompetenzmodellen etwas kritisch gegenüber, da sie zu “Bindestrich”-Kompetenzen (Digitale Kompetenzen, Agile Kompetenzen, KI-Kompetenzen) führen, die sich in großen Teilen verändern müssen. Meines Erachtens ist es besser, allgemein von Kompetenzen von Selbstorganisationsdispositionen zu sprechen – und zwar auf den Ebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk – natürlich auch unter dem Aspekt der Nutzung von KI. Siehe dazu Kompetenzmanagement.

Künstliche Intelligenz lässt Mass Customization in einem anderen Licht erscheinen

Mass Customization ist ein Oxymoron, das von Davis verwendet, und das vor über 30 Jahren von B. Joseph Pine als hybride Wettbewerbsstrategie bekannt gemacht wurde. Siehe dazu auch Freund, R. (2009): Kundenindividuelle Massenproduktion (Mass Customization). RKW Kompetenzzentrum, Faktenblatt 5/2009.

In der Zwischenzeit hat sich viel bei den technischen Möglichkeiten bei der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen getan, sodass Mass Customization in einem neuen Licht gesehen werden kann. Unter anderem sind die Kosten zur Herstellung von Produkten und Dienstleistungen drastisch gesunken (Additive Manufacturing – 3D-Druck, Maker-Bewegung, Robotics etc.). Weiterhin bietet Künstliche Intelligenz mit Large Language Models (LLM) und KI-Agenten ganz neue Möglichkeiten, Mass Customization umzusetzen. Frank Piller hat das in einem Interview an einem Beispiel sehr gut dargestellt:

“An algorithm reading your Instagram profile might know better than you do about your dream shirt or dress. I see opportunity to use the data out there for what I call smart
customization” Piller, Frank T. and Euchner, James, Mass Customization in the Age of AI (June 07, 2024). Research-Technology Management, volume 67, issue 4, 2024 [10.1080/08956308.2024.2350919], Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4887846.

Frank Piller geht dabei immer noch von der Perspektive eines Unternehmens aus, das die neuen KI-Technologien nutzt, um mass customized products herzustellen. Ich stelle mir dabei allerdings die Frage, ob es nicht für jeden Einzelnen in Zukunft möglich sein wird, mit Hilfe von KI-Agenten viele der alltäglichen Probleme selbst, und/oder zusammen mit anderen in Communities, zu lösen.

Benötigen wir in Zukunft also für alle benötigten Produkte und Dienstleistungen noch Unternehmen?

Immerhin hat ein Unternehmen dann seine Berechtigung, wenn es geringere Transaktionskosten hat. Diese Marktberechtigung gerät durch die neuen technischen Möglichkeiten ins Wanken. Die Technologien, mit denen Unternehmen immer geringere Transaktionskosten generieren, und der User immer mehr selbst machen soll/kann, führt zu einer Art Reflexiven Innovation. Diese schlägt auf die Unternehmen zurück. Siehe dazu beispielsweise aus meinen Veröffentlichungen:

Freund, R.; Chatzopoulos, C.; Lalic, D. (2011): Reflexive Open Innovation in Central Europe. 4th International Conference for Entrepreneurship, Innovation, and Regional Development (ICEIRD 2011), 05.-07. May, Ohrid, Macedonia.

Immerhin stellen wir alle in unserem Alltag fest, dass die die von den Unternehmen angebotenen Produkte und Dienstleistungen oft nicht den eigenen Anforderungen entsprechen.

Siehe dazu Von Democratizing Innovation zu Free Innovation oder auch Megatrend: Mass Personalization.