Wissensmanagement: Die Kontextbindung von Wissen

Brödner, P.; Helmstädter, E.; Widmaier, B. (Hrsg.) (1999): Wissensteilung – Zur Dynamik von Innovation und kollektivem Lernen (Zur Einführung). München und Mering

Wissen wird situativ konstruiert (Konstruktivismus). Das bedeutet, dass beispielsweise die selben Daten und Information im Einkauf (Kontext 1) und im Verkauf (Kontext (2) zu anderen Wissenskonstruktionen führen können. Die Abbildung illustriert diese und folgende Zusammenhänge.

Noch schwieriger ist es für Experten ihr Wissen (Expertise, Expertenwissen) preiszugeben (Kontext 1 – berufliche Domäne 1) , denn es handelt sich dabei hauptsächlich um implizites Wissen (1).

Dieses implizite Wissen (1) wird dann mit Hilfe von Theorien, Modellen und Begriffen de-kontextualisiert und über das dann explizierbare Wissen in einen anderen Kontext (2) übertragen. Dort wird das explizite Wissen re-kontextualisiert und über Aneignung, Internalisierung und Lernen zu einem impliziten Wissen (2) und zu Können (2).

Die Übergänge von impliziten Wissen zu expliziten Wissen – und umgekehrt – werden in dem bekannten SEKI-Modell von Nonaka/Takeuchi als eine Art Wissensspirale dargestellt. Dabei ist allerdings folgendes zu beachten: Schreyögg, G.; Geiger, D. (2003): Kann die Wissensspirale Grundlage des Wissensmanagements sein? Siehe dazu auch diesen Beitrag zum trägen Wissen.

Die Projektdefinition sollte an den jeweiligen Kontext anpasst werden – Beispiel

Nach DIN 69901 ist ein Projekt ein Vorhaben, das durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist. Dabei werden beispielhaft drei Kriterien genannt: Genaue Zielvorgabe, Begrenzung und projektspezifische Organisation. Diese Kriterien sind nicht als KO-Kriterien zu verstehen, sondern sollten an den jeweiligen Kontext (Branche, Unternehmen, berufliche Domäne, Projekt) angepasst werden. Auch in der aktuellen Studie Projektwirtschaft 2.0 werden diese Punkte daher gleich am Anfang geklärt.

Ein Projekt ist ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der
Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, d. h.:

– Für das Projekt existiert eine konkrete Zielvorgabe.
– Das Projekt ist zeitlich (Anfang & Ende) begrenzt.
– Das Projekt benötigt spezifische Ressourcen (z. B. finanziell, personell, …).
– Es existiert eine eigenständige Ablauforganisation, die sich von der Standardorganisation
im Unternehmen abgrenzt.
– In Projekten werden nicht routinemäßige Aufgaben bearbeitet.
– Das Projekt hat eine Mindestdauer von vier Wochen.
– Das Projekt besteht aus wenigstens drei Teilnehmern.

Quelle: (GPM 2023)

Solche Zusammenhänge thematisieren wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in Agil (IHK), die wir an verschiedenen Standorten anbieten. Weitere Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Ist Wissenstransfer in ihrer Organisation wichtig? Wenn ja: Befassen Sie sich mit Erwachsenenbildung!

Über “Wissen” und zum Umgang mit Wissen (Wissen managen) habe ich in unserem Blog schon viele Beiträge geschrieben (Kategorie: Wissensmanagement). Diesmal möchte ich auf den Begriff “Wissenstransfer” und später auf den Zusammenhang mit der Erwachsenenbildung eingehen. Zunächst also soll geklärt werden, was unter “Wissenstransfer zu verstehen ist. Dabei möchte ich den vielen umgangssprachlichen Ansätzen keinen Raum geben, sondern beziehe mich (wie möglichst immer) auf wissenschaftlichen Ansätzen. Diese sind dann oft nicht so plakativ und einfach, doch erleichtern sie ein besseres Verständnis.

Wissenstransfer ” bezeichnet die Übertragung von (z.?B. wissenschaftlichem) Wissen in einen anderen Kontext als den seines Entstehens. Eine disziplinübergreifend anerkannte Definition gibt es nicht; hierfür sind die Anwendungsfelder des Begriffs zu verschieden. Häufig wird der interorganisationale und interpersonale Transfer von Wissen zwischen Forschung und Praxis, zwischen Expertinnen bzw. Experten und Laien, zwischen Wissenschaft und Gesellschaft oder zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsfeldern (z. B. der Industrie) betrachtet” (Brandt, P. (i.E.). Art. Wissenstransfer und Wissenschaftskommunikation. In R. Arnold, E. Nuissl & J. Schrader (Hrsg.), Wörterbuch Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt; zitiert in Brandt, P. (2022): Stichwort Transfer. In weiter bilden 2/2022).

Die hier angesprochene kontextabhängige Übertragung von Wissen, bzw. der Transfer von Wissen, wird oft fälschlicherweise mit einer Wissensvermittlung gleichgesetzt. Fäschlicherweise deshalb, da ein Wissenstransfer nur dann erfolgreich ist, wenn “auf der Seite des rezipierenden Kontexts Wissen produktiv verarbeitet und in eigene Horizonte transformiert wurde (Weber, 2004; zitiert ebd.”).

Es handelt sich hier also eher um eine aktive Aneignung von Wissen, die ermöglicht werden kann. Die Erwachsenenbildung hat daher schon lange den Schwerpunkt auf eine Ermöglichungsdidaktik gelegt . Es zeigt sich, dass es beim Umgang mit Wissen, und dem damit auch verbundenen Wissenstransfer vorteilhaft sein kann, wenn beispielsweise Führungskräfte in Unternehmen etwas von einer modernen Erwachsenenbildung verstehen. Die Realität in Unternehmen sieht allerdings anders aus: Es überwiegen Slogans/Buzzwords aus der industriellen Betriebswirtschaft, die kaum noch eine Passung zur Realität haben, und immer mehr an Grenzen stoßen.

Was bedeutet “Disposition” im Zusammenhang mit Kompetenz?

Die Antwort auf die immer komplexer werdende Arbeitswelt ist, mehr Selbstorganisation zuzulassen, bzw. zu entwickeln. Der Begriff “Selbstorganisation” ist dabei Bestandteil von Kompetenz als Selbstorganisationsdisposition.

Darin sind Dispositionen “mehr oder weniger performanzoffen im Sinne des Erkennens und Gestaltens von Neuem.”

Kirchhöfer beschreibt “Disposition” wie folgt.

“Disposition bezeichnet die zeitlich stabile Gesamtheit der zum jeweiligen Zeitpunkt entwickelten inneren Voraussetzungen zur psychischen Regulation der Tätigkeit” (Kirchhöfer 2004:61).

Diese Dispositionen sind somit nicht immer gleich, sondern verändern sich permanent, sodass Zeitpunkt und Kontext bei der Nutzung der Dispositionen eine besondere Rolle spielen. Dadurch wird der Unterschied zwischen “Disposition” und “Performanz” deutlich.

In der aktuellen Diskussion über Selbstorganisation, Komplexität und New Work kommen mir diese Unterscheidungen zu kurz, wodurch manchmal eine Beliebigkeit in der Nutzung der Begriffe entsteht. Dieser Mix führt dann über das unklare Verständnis der Zusammenhänge zu einer nicht angepassten Umsetzung in den Organisationen. Siehe dazu auch Ursache-Wirkung: Die intellektualistische Legende, oder  Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.

Informationen zu den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen, und zu weiteren Terminen und Standorten, finden Sie auf unserer Lernplattform.

Braucht ´New Work´ auch ein ´New Learning`?

Durch das veränderte Umfeld entstehen – wie selbstverständlich – auch neue Formen der Arbeit, und auch bestehende Arbeitsformen müssen sich weiterentwickeln. Dabei kommt dem Lernen eine Schlüsselrolle zu, die allerdings oftmals recht plakativ dargestellt wird. Bernd Gössling hat die Zusammenhänge sehr gut aufgearbeitet – und das basierend auf Quellen, und nicht auf den Marketingzielen von Beratern. Hier zunächst einige von ihm gesammelte Statements, die man so, oder so ähnlich, an vielen Stellen finden kann

„New Work braucht New Learning!“ (Foelsing/Schmitz 2021:I)
• „Agiles, kooperatives und vernetztes Arbeiten braucht agiles, kooperatives und vernetztes Lernen“ (Hagener Manifest 2020, S. 3)
• „[M]obiles Lernen“ gehört zu einer modernen Lernkultur, wie die Charta für Lernen und Arbeiten in der Industrie 4.0 betont (BMWi 2020, S. 5)
• „Agiles Lernen leitet sich vom agilen Arbeiten ab“ (Schmitz/Graf 2020, S. 79).
Quelle: Gössling, B. (2022): Neue Arbeit = Neue Bildung?!, in: Schlögl et al. (Hrsg.) (2022): Wie wollen wir arbeiten? Berufliches Lernen zwischen Tradition und Transformation, S. 15-28).

Lernen wird getrieben von den Begriffen wie agil, digital, vernetzt usw., dabei sollte Lernen in vielfältiger Weise, und nicht nur technologiegetrieben ermöglicht werden. Es ist schade, dass die Diskussion in den Unternehmen von Personen dominiert wird, die Buzzwords nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. Es wäre gut, wenn Führungskräfte etwas von Lernen verstehen würden. Dabei geht es um das Lernen auf der individuellen Ebene, der Teamebene, der organisationalen Ebene und der Netzwerkeben. Doch welche Führungskraft hat sich schon einmal mit “Lernen” beschäftigt, oder kann eine entsprechende Kompetenzentwicklung vorweisen? Darüber hinaus gibt es in Unternehmen ein Kontinuum von Arbeitsformen (Siehe Arbeit 1.0 bis 4.0), die alle Anforderungen an das Lernen stellen. Der an den jeweiligen Kontext (berufliche Domäne) und an die Person(en) angepasste Mix an Ermöglichungsräumen für einfaches, kompliziertes, und komplexes Problemlösen ist gefragter denn je. Dabei möchte ich an dieser Stelle nicht auf die Überschneidungen der Begriffe Lernen, Bildung und Kompetenzentwicklung eingehen.

“Vieles, was als ´neue Arbeit´ bezeichnet wird, ist nicht neu, auch wenn es einen Trend hin zu mehr Selbstverantwortung gibt.” (…) Es zeigt sich, dass es eben nicht nur die eine ´richtige´ Art neuer Bildung gibt, wie die teilweise überzogenen Erwartungen an agiles, digitales, neues Lernen usw. suggerieren” (ebd. S. 26).

In den von uns entwickelten Blended Learning Angeboten, versuchen wir, diese angemessene Art des Lernens zu integrieren. Informationen zu unseren Weiterbildungsangeboten, und zu aktuellen Terminen, finden Sie auf unserer Lernplattform.

“Digitale Kompetenzen” oder besser “Kompetenzen in digitalen Kontexten”?

Wir alle wissen und merken es tagtäglich, dass die Digitalisierung in allen Bereichen der Gesellschaft fortschreitet. Im privaten Bereich und in wirtschaftlich geprägten Organisationen geht diese Entwicklung oftmals recht schnell, in den Verwaltungen könnte es in vielen Bereichen etwas schneller gehen. Um die Veränderungen zu bewältigen, benötigen Menschen in allen Bereichen entsprechende Kompetenzen, die in Bezug auf die Digitalisierung “Digitale Kompetenzen” genannt werden – es ist eben heute alles digital, oder? Dabei stelle ich mir die Frage, können Kompetenzen digital sein, oder ist der Begriff ein wenig irreführend? Um das herauszufinden, sollten wir uns erst einmal klar machen, was wir unter Kompetenzen verstehen, denn es gibt eine sehr große Anzahl an Kompetenz-Konstrukten (Beispiel).

Meine Überlegungen sind dazu (kurz dargestellt) wie folgt: Die Soziologen nennen die gesellschaftliche Modernisierung schon lange Reflexive Modernisierung, deren Eigenschaften u.a. Entgrenzung (z.B. von Arbeit), Kontingenz usw. sind (Ich erspare Ihnen hier eine ausführliche Auflistung). Worauf ich hinaus will ist, dass Menschen in so einem Umfeld in der Lage sein sollten, Situationen zu bewältigen. Ich möchte hier den Begriff “bewältigen” noch einmal hervorheben, da es nicht darum geht die komplexen, kontingenten usw. Situationen zu beherrschen, denn das geht nicht. Die Bewältigung enthält somit im Vergleich zur Beherrschung oder zur Verzweiflung eine positive Komponente. Auf Grundlage dieser Überlegungen bin ich zu den Einschätzungen von Erpenbeck/Heyse gekommen, die für die Beewältigung erforderlichen Eigenschaften als Kompetenz im Sinne von Selbstorganisationsdispositionen beschreiben. Ähnliche Überlegungen habe ich nun in der aktuellen Dissertation Derya Catakli (2022): Verwaltung im digitalen Zeitalter. Die Rolle digitaler Kompetenzen in der Personalakquise des höheren Dienstes gefunden. Dabei wird auch auf die im Titel des Blogbeitrags erwähnte Frage eingegangen.

“Entsprechend der hier genutzten Kompetenzdefinition sind digitale Kompetenzen diejenigen Selbstorganisationsdispositionen, die für die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit in digitalen Kontexten nutzbar gemacht werden können und das Individuum in der digitalen Gesellschaft zum selbstorganisierten, kreativen und lösungsbezogenen Umgang mit digitalen Technologien unter Berücksichtigung transdisziplinärer Erkenntnisse befähigen. Kompetenzen, die zwar im digitalen Zeitalter ebenfalls zunehmend wichtiger werden, aber nicht ausschließlich im digitalen Kontext benötigt werden, bleiben in der weiteren Bearbeitung unberücksichtigt” (ebd. S. 84).

Wenn wir also statt “Digitale Kompetenzen” besser “Kompetenzen in digitalen Kontexten” nutzen wird deutlicher, dass es immer um einen Teilbereich von Kompetenzen (Selbstorganisationsdispositionen) geht und weitere Kompetenzen im Zusammenspiel zur komplexen Problemlösung erforderlich sind. Dabei wäre der Schluss von Persönlichkeitseigenschaften auf Kompetenzen falsch.

Als Leser unseres Blogs wissen Sie, dass ich mich in den letzten Jahrzehnten intensiv mit Selbstorganisation und damit auch mit Kompetenzen auseinandergesetzt habe. Am Beispiel der Konvergenzthese habe ich aufgezeigt, dass es einen betriebswrtschaftlichen Ansatz gibt (Ressource based), der eher Top Down angelegt ist, und dass es einen eher pädagogischen Ansatz gibt (Selbstorganisiertes Lernen), der eher Bottom Up vorgeht. Was aus meiner Sicht fehlte, war ein ebenenübergreifender Ansatz (Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk), der die oben genannten Perspektiven integriert. Siehe dazu ausführlich Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisationn und Netzwerk.

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanagerin Agil (IHK) gehen wir auf diese Zusammenhänge ein. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Blended Learning: Dimensionen für einen Ermöglichungsraum des Lernens

In diesem Blogbeitrag habe ich erläutert, dass Blended Learning als Ermöglichungsraum für das Lernen gesehen werden kann. Es stellt sich jetzt die Frage, welche Dimensionen so ein Ermöglichungsraum haben kann. Erste Ansatzpunkte sind hier zu finden:

“In ´Blended-Learning-Szenarien ergeben sich sowohl für die Präsenz- als auch für die Onlinephasen […] veränderte Interaktionsbeziehungen´ (Reimer 2004, S. 268). Wer die Möglichkeiten des Blended Learning nutzen will, ist somit noch mehr gefordert, die didaktischen Konzepte auf die vielfältigen, technologiebasierten oder Präsenz-Methoden
abzustimmen und in ein Lernsetting, das den Lernzielen und allen Beteiligten gerecht wird, einzubetten (vgl. Reimer 2004). Gerade für diese Formen des digital unterstützten Lernens ist es somit entscheidend, die Zielgruppe genau zu kennen. Neben der Bekanntheit und Beliebtheit von digitalen Lernformen ist dann auch von Interesse, welche Lernmethoden bevorzugt werden, wann und wo bzw. wie orts- und zeitflexibel die gIV-Mitglieder lernen wollen und wie entscheidend es für sie ist, ob sie durch eine Seminarbegleitung angeleitet werden” (Korge, Gabriele; Wolter, Maxie; Hamann, Karin; Zaiser, Helmut (2022:14): Lernen zwischen Tradition und Transformation. Eine Erhebung zu digitalem Lernen von Betriebs- und Personalratsmitgliedern, Stuttgart: Fraunhofer Verlag. Die Autoren der Studie schlagen zur Einordnung die Dimensionen “Grad der Seminarbeteiligung” und “Grad der Digitalisierung” vor.

Grad der Seminar-beteiligung
HOCH
Präsenz-veranstaltung, angereichert um digitale ElementeLive-Online-Kurs mit Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
MITTEL
Blended Learning Veran-staltungen mit wechselnden Phasen online/offline bzw. mit/ohne Seminar-begleitung
Grad der Seminar-beteiligung
NIEDRIG
Online-Kurs zum Selbstlernen, Computer/Web Based Trainings, Lernvideos
Grad der
Digitalisierung
NIEDRIG
Grad der
Digitalisierung
MITTEL
Grad der Digitalisierung
HOCH
Quelle: ebd. S. 14

Für eine erste grobe Einordnung ist das Schema hilfreich, doch fehlt mir noch der zu berücksichtigende Kontext, in dem das (möglichst selbstorganisierte) Lernen stattfinden soll. Ohne den Kontext (Lernfeld – Arbeitsfeld) zu beachten, ist ein komplexes Problemlösen nicht möglich. Beispielsweise ist beim Lernen in einem Arbeitsumfeld der Geschäftsprozess als Kontext wichtig, um selbstorganisert zu Lernen und somit. situativ Wissen zu konstruieren. Nimmt man also den Kontext zu den oben genannten beiden Dimensionen hinzu, ergibt sich eine Art Würfel für den Ermöglichungsraum des Lernens. Siehe dazu auch Was sind Eigenschaften von komplexen Aufgabenstellungen?

In den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen Projektmanager/in (IHK) und Projektmanager/in AGIL (IHK) werden diese Zusammenhänge beachtet. Informationen zu den Lehrgängen und zu Terminen finden Sie auf unserer Lernplattform.

Warum gibt es für Multiple Intelligenzen keinen standardisierten Test?

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Wir sind es aus der industriellen Tradition heraus gewohnt, alles zu messen, bzw. alles messbar zu machen. Es gibt Kennzahlen für alles und jeden, die dann auch als Vergleichsmaßstab herhalten und somit auch selektieren. Ein Beispiel dafür ist der Intelligenz-Quotient (IQ), der schon lange für Auswahlverfahren im Beruf, und auch in Schulen eingesetzt wird. Diesen Strukturmodellen stehen Systemmodelle wie das von Sternberg oder das von Howard Gardner gegenüber, die Intelligenz als ein komplexes Konstrukt sehen, das nicht dekontextualisiert in einem standardisierten Test bestimmt werden kann. Ein weiterer Grund ist, dass standardisierte Tests hauptsächlich auf sprachliche und logisch-mathematische Dimensionen ausgerichtet sind. Der folgende Absatz fasst die beiden Punkte noch einmal zusammen.

The weak performance of standardized tests is not surprising, Gardner (1983, 1993) suggests, for two reasons. First, standardized tests sample too narrow a range. They place a heavy premium on two sets of skills (linguistic and logical-mathematical) and pay too little attention to a variety of other human intelligences (spatial, musical, bodily-kinesthetic, interpersonal, intrapersonal, and naturalist). Second, in many cases standardized tests are quite remote from the real-world contexts in which knowledge is acquired and used (that is, problem-solving on tests is typically “decontextualized”) (Torff 1997:IX).

Es ist zwar ganz lustig, wenn in verschiedenen Büchern oder auch in Online-Spielen das eigene Multiplen-Intelligenzen-Profil durch ankreuzen/anklicken bestimmt werden kann, doch hat das alles nichts mit der Multiplen Intelligenzen Theorie von Howard Gardner zu tun…

Gedanken zum Begriff der “Domäne”

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Warum ist der Begriff der “Domäne” überhaupt relevant? Es kommt im beruflichen Alltag oft vor, dass Inhaltsbereiche (Fächer) unterschieden werden, die unterschiedliche Arten von Wissen enthalten. Diese Inhaltsbereiche sind berufliche Kontexte (Domänen), in denen Wissensarten für die oftmals komplexen Problemlösungen genutzt werden. Interessant ist hier bisher, das folgende “domain areas” wissenschaftlich untersucht wurden (vgl. Alexander 1992): Physik, Baseball, Medizinische Diagnostik, Schach, Programmieren, Restaurant-Bestellungen, Taxi fahren usw.

Der Begriff der ,,Domäne” findet sich in der Literatur vor allem in zwei Kontexten, nämlich in der Expertiseforschung (vgl. Gruber& Zieglet 1996)- hier oft als ,,Wissensdomäne” oder ,,Domänenwissen” – und in Theorien zur Domänenspezifizität des menschlichen Verstandes (vgl. Hirschfeld & Gelman 1994), die Domänen nicht auf der Basis von vorhandenen Wissensbeständen, sondern von – angeborenen oder erworbenen – kognitiven Kompetenzen konzipieren. Hirschfeld
und Gilman (1994) unterscheiden demzufolge zwischen ,,competence-based views” und ,,knowledge-based views” . (…) ,,Domäne” = Kompetenz operiert auf Referenzbereich und führt zu Wissen. Diese Konzeptualisierung erlaubt die Überwindung des von Hirschfeld und Gelman (Hischfeld & Gelman 1994) diagnostizierten Nebeneinanders von kompetenz- und wissensbasierten Ansätzen (Hoops 1999:50-51).

In meinem Buch Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk gehe ich auf die domänenspezifischen komplexen Problemlösungen ein, die gerade in dem heute vorhandenen turbulenten Umfeld eine wichtige Rolle spielen. Dabei werden die beschriebenen kognitiven Kompetenzen zu multiplen Kompetenzen erweitert.

Kompetenz und Intelligenz – eine Gegenüberstellung

Der Begriff “Kompetenz” wird in vielfältiger Weise genutzt, daher ist es wichtig zu klären, was darunter zu verstehen ist. “Bei der Abgrenzung des Kompetenzkonzeptes von dem der “Intelligenz” verwenden HARTIG und KLIEME die drei Kriterien Kontextualisierung, Lernbarkeit, und Binnenstruktur. Damit gelangen sie in ihrer begrifflichen Klärung des Kompetenzbegriffes über den Stand der einschlägigen Diskussion hinaus” Rauner, F.; Haasler, B.; Heinemann, L.; Grollmann, P. (2009:23):

KompetenzIntelligenz
Kontextualisiert, Fähigkeit, spezifische Situationen und Änderungen zu bewältigen.Generalisierbar, Fähigkeit, neue Probleme zu lösen.
Lernbar, wird durch Erfahrung mit den spezifischen Anforderungen und Situationen erworben.Zeitlich stabil, zu bedeutsamen durch biologische Faktoren determiniert.
Binnenstruktur ergibt sich aus Situationen und Anforderungen.Binnenstruktur ergibt sich aus grundlegenden kognitiven Prozessen.
Rauner, F.; Haasler, B.; Heinemann, L.; Grollmann, P. (2009:23)

Interessant dabei ist, dass der Vergleich von Kompetenz mit dem Intelligenzverständnisverständnis verglichen wird, das letztendlich dem IQ (Intelligenz-Quotienten) zugrunde liegt. Doch schon Alfred Binet, der im April 1905 den ersten Intelligenztest veröffentlich hat, formulierte so: “Die Skala erlaubt keine Messung der Intelligenz, da intellektuelle Fähigkeiten nicht addiert und somit nicht wie lineare Oberflächen gemessen werden können.” Doch in den letzten mehr al 100 Jahren wurde die Messbarkeit und Bestimmbarkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu einem Mantra, das bis heute wirkt.

Demgegenüber wächst die Kritik an dem IQ in den letzten Jahrzehnten deutlich. Etablierte Forscher (wie z.B. Sternberg) zweifeln offen daran, sodass es zu einer Entgrenzung des Konstrukts gekommen ist. “Soziale Intelligenz”, “Schwarm-Intelligenz”, “Emotionale Intelligenz” sind nur wenige Elemente dieser Entwicklung.

Letztendlich nimmt Howard Gardner viele dieser Perspektiven in seiner Theorie der Multiplen Intelligenzen auf. Dabei versteht er Intelligenz auch als kontextualisiert und erlernbar, was in der oberen Tabelle eher dem Kompetenz-Begriff ähnelt. Es macht möglicherweise Sinn, von Multiplen Kompetenzen zu sprechen.

Siehe dazu Freund, R. (2011): Das Konzept der Multiplen Kompetenz auf den Analyseebenen Individuum, Gruppe, Organisation und Netzwerk.