Hybrides Innovationsmanagement: Free Innovation und Producer Innovation

Source: The free innovation paradigm and the producer innovation paradigm. (von Hippel 2017)

Alles ist ja heute hybrid. Es gibt beispielsweise Hybrides Arbeiten, Hybrides Projektmanagement, Hybrides Wissensmanagement, und die Hybride Wettbewerbsstrategie Mass Customization. Das verwundert nicht wirklich, da es in der Reflexiven Modernisierung zu Entgrenzungen auf allen Ebenen der Gesellschaft kommt – so auch bei den Management-Prozessen. Management-Berater verkaufen alles jetzt als neue Entwicklung, doch ist diese schon sehr lange – beispielsweise in den Sozialwissenschaften – bekannt.

Den Run auf die Entgrenzung von Innovationsprozessen hat Henry Chesbrough (2003) mit Open Innovation ausgelöst (Innovation als Kontinuum zwischen Closed Innovation und Open Innovation). Sein Ansatz bezog sich dabei auf auf Innovationsprozesse in Organisationen, die nun langsam aber sicher angefangen haben, Wissen auch von Außen zu integrieren. In der Grafik ist das der untere große Pfeil (Producer Innovation Paradigm), mit dem Abschluss “Market diffusion”. Dieser auf Schumpeter zurückgehende Blick auf Innovation, und dessen Öffnung zeigt sich auch in den dazugehörenden Definitionen (Oslo Manual 2018) oder auch in den jeweiligen Statistiken, die eben Innovationen nur dann erfassen, wenn sie von Organisationen im Markt positioniert worden sind.

In den letzten mehr als 20 Jahren ist gerade von Eric von Hippel allerdings deutlich nachgewiesen worden, dass es auch viele Innovationen von einzelnen Personen gibt, die nicht zwingend im Markt, sondern beispielsweise innerhalb von interessierten Gruppen ausgetauscht werden (Free Innovation Paradigm). Dabei wird hier schon klar, dass solche Innovationen nach der Oslo-Definition gar keine Innovationen sind, und somit auch in keiner traditionellen Statistik vorkommen. In den verschiedenen Paper von Eric von Hippel allerdings schon. Siehe dazu ausführlicher Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation und Eric von Hippel (2017): Free Innovation.

In der Abbildung ist allerdings auch zu erkennen, dass es durchaus Sinn machen kann, nicht von einem Entweder-oder, sondern von einem Sowohl-als-auch zu sprechen. Beide Extrempositionen können sich an verschiedenen Stellen der jeweiligen Prozesse ergänzen, beispielsweise durch einen Innovation support vom Producer Innovation Paradigm zum Free Innovation Paradigm und umgekehrt durch Innovation Designs.

Ein so verstandenes Hybrides Innovationsmanagement, oder auch ein entsprechendes Innovations-Kontinuum, bieten gerade für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) viele Chancen.

Von “Märkte als Ziele” zu “Märkte als Foren”

Image by user32212 from Pixabay

Es wird in unterschiedlichen Zusammenhängen (Kontexten) immer wieder von “dem Markt” gesprochen/geschrieben, der das Ziel aller Unternehmensaktivitäten sein soll. Das hört sich an, als ob “der Markt” ein relativ homogenes “Gebilde” ist, doch “der Markt” ist sehr differenziert. Weiterhin sind die verschiedenen Akteure immer stärker vernetzt (technologisch, räumlich, zeitlich usw.) und haben Rückkopplungen untereinander. Ramaswar und Prahalad haben daher vorgeschlagen, “Märkte als Foren” zu sehen.

“Market is no longer a target, it is more a forum (Prahalad and Ramaswamy 2004) to “tap into the knowledge of participants in the social ecosystem to create a freer flow of information, engage people more wholeheartedly, and enable richer, fuller stakeholder interactions” (Ramaswamy and Gouillart 2010). Further, in such a complex system knowledge is unevenly distributed (Hayek 1945) and the direction of flows of knowledge and information cannot be predetermined (Ramaswamy and Ozcan 2014)” (Freund, R. 2017).

Es ist somit nicht, oder nur bedingt, möglich, Wissensflüsse in solchen Foren (Marktplätzen) gezielt vorauszusagen. In Unternehmen möchte man allerdings gerne, den Wissensfluss so organisieren, dass ein bestimmtes Ergebnis (meistens ein Gewinn für das Unternehmen) herauskommt. Die Schwierigkeiten so vorzugehen haben viele Unternehmen erkannt, und öffnen ihre Innovationsgrenzen. Diese Entwicklung hat Chesbrough als Open Innovation bezeichnet. Dabei bezieht er sich ausdrücklich auf Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell.

Betrachten wir allerdings die oben genannten Charakteristika von Foren und den damit verbundenen Wissensflüssen müssen Innovationen nicht zwangsläufig nicht nur von Unternehmen ausgehen, sondern können in der Vernetzung von allen möglichen Foren-Teilnehmern geschehen. Ein so verstandenes Open User Innovation wird von Eric von Hippel propagiert.

Solche Bottom-up-Innovationen tauchen allerdings immer noch nicht in den offiziellen Innovations-Statistiken auf. Es ist vorstellbar, dass diese Art von Innovationen mit Hilfe neuer Technologien (Künstliche Intelligenz, Additive Manufacturing, Open Source, Maker-Bewegung usw.) in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Unternehmen sollten diese Entwicklungen frühzeitig adaptieren.

Closing Open Innovation – was soll das sein?

Image by ???? ????????? from Pixabay

Wenn es um Open Innovation geht, ist meistens die Perspektive von Henry Chesbrough (2003) gemeint. Dabei geht es um die Öffnung des bis dahin hauptsächlich geschlossenen Innovationsprozesses (Closed Innovation) – eben Open Innovation. Zu beachten ist hier, dass der Autor den Begriff Open Innovation in Verbindung mit Unternehmen sieht. Wenig erforscht ist, dass auch viele Open Innovation Initiativen scheiterten und in dem Zusammenhang gestoppt wurden. Um dieses Closing Open Innovation geht es in dem folgenden Paper.

“Closing open innovation may refer to canceling a specific open innovation initiative and reducing a firm’s general use of open innovation (cf. Granstrand and Holgersson, 2014). In this article, we focus primarily on the closing of specific initiatives” Holgersson, Marcus & Wallin, Martin & Chesbrough, Henry & Dahlander, Linus. (2022). CLOSING OPEN INNOVATION | Link.

Die Autoren verweisen auf verschiedene Unternehmensinitiativen. Beispielsweise auf eine Open Innovation Community, die Probleme mit der rechtlichen Situation hatte und geschlossen wurde. Weiterhin wird Quirky genannt, ein Start-up, das allerdings seine Betriebskosten nicht dauerhaft decken konnte – usw.

Es wird deutlich, dass mit dem Start einer Open Innovation Initiative in einer Organisation auch daran gedacht werden sollte, wie diese Initiative auch wieder beendet werden kann. Dieser Punkt soll natürlich kein KO-Kriterium für Open Innovation Initiativen in Organisationen sein, doch wurde Closing Innovation bisher zu wenig beachtet.

Darüber hinaus habe ich in unserem Blog schon mehrfach darauf verwiesen, dass es neben der Perspektive von Chesbrough auch noch die Perspektive von Eric von Hippel auf Open Innovation gibt. Eric von Hippel geht dabei nicht von Unternehmen/Organisationen, sondern von jedem Einzelnen aus – Free Innovation. Auch hier könnte es Sinn machen, über Closing Innovation nachzudenken.

The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey als Download

Es ist toll, dass die Studie nun als Download zur Verfügung steht: Diener, Kathleen & Piller, Frank (2019). The Third RWTH Open Innovation Accelerator Survey: The Market for Open Innovation: Collaborating in Open Ecosystems for Innovation (PDF).

Die Studie befasst sich mit Open Innovation Accelerators, die wie folgt beschrieben werden: “Open Innovation Accelerators (OIA) are intermediaries that operate on the behalf of companies seeking to innovate in cooperation with external actors from their periphery. OIAs offer one or several methods of open innovation and, in many instances, also provide supporting services for the innovation process. Their methods are especially focused on the integration of external actors. In consequence, OIAs facilitate the collaboration between an innovating company and its environment. They accelerate a company’s open innovation process” ebd. S. 19.

Diese Definition weist schon darauf hin, dass es hier bei Open Innovation um den Prozess von Unternehmen/Organisationen mit ihren organisationalen und technischen Grenzen geht, was grundsätzlich der Perspektive von Chesbrough (2003, 2006) entspricht.

Auf Eric von Hippel wird bei den beiden Informationstypen (S. 16) und beim Lead User Ansatz (S. 31) eingegangen. Dabei wird auch die Quelle Eric von Hippel (2005): Democratizing Innovation benutzt, ohne auf den besonderen Ansatz von Open Innovation bei Eric von Hippel hinzuweisen (Video: Framing an new user innovation Paradigm von 2013). Es ist natürlich verständlich, sich bei der Studie auf eine Perspektive – hier auf die von Chesbrough – zu fokussieren, doch hätte ich mir gewünscht, dass in dem Kapitel “What is Open Innovation?” auch auf den Bottom-Up-Ansatz von Eric von Hippel hingewiesen wird .

Die aktuellere Veröffentlichung Eric von Hippel (2016): Free Innovation ist in der Literaturliste nicht erwähnt. Dort macht der Autor deutlich, wie wichtig die Entgrenzung von Innovation durch Bottom-Up-Initiativen Einzelner schon heute ist, und in Zukunft noch stärker werden wird. Siehe dazu auch Was wäre, wenn wir Innovationen stärker Bottom-Up denken und fördern würden?

Innovationen: Alleine oder mit anderen?

Natürlich ist die Überschrift etwas einseitig formuliert, denn es gibt zwischen den beiden Polen noch viele Möglichkeiten, Innovationen zu entwickeln. Dennoch möchte ich der Frage nachgehen, ob es für manche Innovationsprojekte möglicherweise sinnvoller ist, alleine vorzugehen. Dazu habe ich etwas bei Eric von Hippel gefunden, der “Single Innovation vs. Collaborative Innovation” insgesamt sechs Studien aus UK, US, Japan, Finnland, Kanada und Süd-Korea untersucht hat:

Collaborative development can produce major cost savings for participants in larger projects, where substantial costs are being shared. For relatively small projects, however, such as the
typical household sector projects documented here, it can be more efficient to innovate alone, and in that way avoid the costs of coordinating development work with others (von Hippel (2017:28).

Die Ergebnisse sind schon erstaunlich, denn es hat sich gezeigt, dass nur 10 % (UK) bis maximal 28% (Süd-Korea) der Innovationen kollaborativ entstanden sind. Der offensichtliche Trend, Innovationen grundsätzlich stärker kollaborativ anzugehen, ist demnach nicht immer sinnvoll. Die Stärkung des individuellen Innovationspotenzials (Kompetenzen) sollte demnach im Fokus stehen, wenn es darum geht, Innovation zu entgrenzen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Unternehmen diesen Weg überhaupt wollen, denn der Trend geht aktuell eher in Richtung Open Innovation von Chesbrough. Bei diesem Ansatz steht ein Business Model im Mittelpunkt, also nicht so sehr der Einzelne (Blogbeitrag). Nicht umsonst heißt ja das Buch von Eric von Hippel “Free Innovation”.  Solche Zusammenhänge besprechen wir auch in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgängen. Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Open Innovation in European Industries

oi-net

 

Die Studie OI-NET (2016): Open Innovation in Europeam Industries (PDF, Executive Summary) zeigt auf, wie unterschiedlich Open Innovation genutzt wird (S. 3):

Inbound open innovation activities (sourcing for technology outside the firm, co-creating with
external partners, in-licensing, etc.) are adopted much more ofen and intensively, than outbound modes (free revealing of technologies, outlicensing, surplus technology commercializing, etc.). In general, 69,6% of companies in our sample adopt open innovation activities. The average level of open innovation adoption differs for different activities: from maximum 93,3% (Collaboration with external partner) to minimum of 44,3% (IP out
licensing). The most intensively adopted open innovation activities are: collaborative innovation; scanning for new ideas; customer co-creation in R&D project and using external networks. The least intensively adopted open innovti,on activites are: IP in and out licensing; selling initialized technologies; crowdsourcing; free revealing of ideas and IP to external parties.

Auch hier ist bezeichnend, dass man sich bei der Definition von Open Innovation auf Chesbrough bezieht, der Open Innovation mit Geschäftsmodellen verbindet, und sich damit eher auf Organisationen bezieht. Der Ansatz von Eric von Hippel, Open Innovation auf User zu beziehen (Open User Innovation) wird hier leider nicht thematisiert. Solche Zusammenhänge und Unterschiede besprechen wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK). Ab November wird der Lehrgang beispielsweise bei der IHK-Rhein-Neckar in Mannheim angeboten. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Adern aus dem 3D-Drucker?

weiter-vorn-1-16

In dem Fraunhofer-Magazin weiter.vorn 1/2016 (PDF) wird in dem Artikel Adern aus dem Drucker ( S. 32-33) beschrieben, wie künstliche verzweigte Blutgefäße aus neuartigen Materialien mit Hilfe von 3D-Druckverfahren hergestellt werden:

Herkömmliche künstliche Hautmodelle bestehen meist aus den beiden obersten Schichten der Haut. Ein internationales Forscherteam entwickelte ein dreilagiges Vollhautmodell aus Unterhautfett, Dermis und Epidermis. Ein Schlüssel zum Erfolg: Den Experten gelang es mit einem 3D-Druckverfahren, künstliche verzweigte Blutgefäße aus neuartigen Materialien herzustellen.

Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie schnell die neuen Möglichkeiten von 3D-Druck bzw. Additive Manufacturing angewendet werden. Neben der Verbesserung von aktuellen Verfahren werden 3D-Druck und Additive Manufacturing auch Geschäftsmodelle in allen Branchen verändern. Solche Zusammenhänge besprechen wir auch in dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK). Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Open Innovation und Wissensmanagement

leadingopeninnovationWenn ich über Open Innovation schreibe, dann unterscheide ich zwischen der Definition von Chesbrough (Open Innovation in einem Business Model) und der von von Hippel (Open Innovation benötigt kein Business Model). In dem Beitrag Open Innovation ist nicht gleich Open Innovation habe ich ausführlich darauf hingewiesen. Um den Zusammenhang zwischen Open Innovation und Wissensmanagement aufzuzeigen, benutze ich zunächst die  Definition von Chesbrough, die sich seit 2003 auch immer wieder weiterentwickelt hat. Folgende Kernelemente finden sich in der Definition con Chesbrough und Bogers aus dem Jahr 2014:

  • Ideas can come from anywhere
  • Ideas must be commercialized through business models

Für ein Unternehmen bedeutet das, dass verteiltes Wissen (Distributed Knowledge) in Innovationen überführt werden sollte. Dieser Umgang mit Wissen (innerhalb und außerhalb der Organisation) sollte zunächst einmal verstanden, und anschließend für das Unternehmen nutzbar gemacht werden. Hier sollten Innovationsmanager und Wissensmanager zusammenarbeiten, um die Potentiale zu erschließen.Siehe dazu auch Wissen in Innovationsnetzwerken nutzen. Diese Zusammenhänge besprechen wir in den von uns entwickelten Blended Learning Lehrgänge Innovationsmanager (IHK) und Wissensmanager (IHK). Informationen dazu finden Sie auf unserer Lernplattform.

Open Innovation ist nicht gleich Open Innovation

open-innovation-2-0Die Überschrift hört sich erst einmal seltsam an, denn wenn man über “Open Innovation” spricht oder schreibt, sollte die Definition klar sein – ist es aber nicht. Viele beziehen sich bei Open Innovation zunächst auf Chesbrough, der in seinem Buch 2003 eine erste Definition formuliert hat. Diese Definition hat Chesbrough allerdings 2006 und später zusammen mit Bogers 2014 erheblich verändert. Chesbrough bezieht Open Innovation auf Organisationen und deren Business Model. Im Gegensatz dazu steht die Perspektive von Baldwin und von Hippel (2011), die nicht die Organisationen, sondern alle User für solche offenen Innovationsprozesse sehen. Hier spricht man auch eher von Open User Innovation. Weiterhin gibt es im Open Innovation Yearbook 2015 der Europäischen Kommission einen Hinweis auf Open Innovation 2.0,, das als Framework (Rahmen) für die verschiedenen Perspektiven auf Open Innovation dienen soll. Diese Hinweise sind nicht vollständig, sondern sollen nur zeigen, wie vielfältig Open Innovation ist. Jeder der von Open Innovation spricht – oder über Open Innovation schreibt – sollte daher deutlich machen, welche Perspektive er einnimmt. Genau das habe ich im Rahmen meines Papers zur MCPC 2015 (20-22.10.2015) erst einmal gemacht. In dem von uns entwickelten Blended Learning Lehrgang Innovationsmanager (IHK) gehe ich natürlich auf die verschiedenen Ansätze ein. Informationen zum Lehrgang finden Sie auf unserer Lernplattform.

Die Lead User Methode für kleine und mittelständische Unternehmen

HandbookIn einem früheren Blogbeitrag hatte ich schon über das Handbuch  Churchill, J.; von Hippel, E.; Sonnack, M. (2009): LEAD USER PROJECT HANDBOOK: A practical guide for lead user project teams  hingewiesen. Darin beschreiben die Autoren die Lead User Methode und das generelle Vorgehen. Die Universität Kassel hat nun im Rahmen eines EU-Projekts zu Open Innovation ein Handbuch veröffentlicht, das sich speziell an kleine und mittelständische Unternehmen wendet, die die Lead User Methode einsetzen möchten: Lead User Handbook for SME. A Guidebook for Practioniers and Facilitators. Es ist gut, wenn nicht nur große Unternehmen die Möglichkeiten offener Innovationsprozesse nutzen. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können dadurch neue Potentiale erschließen und somit wettbewerbsfähiger werden.